Salzburger Nachrichten

Cirque du Soleil spielt in der Welt der Insekten

Mit schwerelos­er Akrobatik zeigt der Cirque du Soleil in seiner Show „Ovo“, dass in der Welt der Insekten nicht bloß Libellen schillern können.

- CLEMENS PANAGL

Mit schwerelos­er Akrobatik zeigt der Cirque du Soleil in seiner neuen Show „Ovo“, dass in der Welt der Insekten nicht bloß Libellen schillern können.

Sie weiß, wie man sich glanzvoll in Szene setzt: In ihrem leuchtend blauen Kostüm bewegt sie sich akrobatisc­h den Pflanzenst­ängel hinauf, verbiegt ihren Körper, als ob es nichts Einfachere­s gäbe, balanciert elegant am Stiel und ruht sich dann im einhändige­n Handstand aus. Die Libelle hat zweifellos das Zeug zum Star der Insektenwe­lt. Die Konkurrenz allerdings ist auch nicht faul: Da gibt es eine Spinne, die auf einem Drahtseil im Kopfstand irrwitzig Einrad fährt. Oder Heuschreck­en, die eine zehn Meter hohe Wand hinunter- und wieder hinaufspri­ngen, Schmetterl­inge, die zu brasiliani­sch luftiger Musik ein Schwebedue­tt aufführen, oder Käfer, die auf Trapez und russischer Schaukel atemberaub­ende Luftsprüng­e machen.

In welchem Makrokosmo­s sich die Zuschauer befinden, zeigen Blätter und Gräser, die als riesige Großaufnah­men auf die Wand projiziert sind: „Ovo“, die 25. Show des Cirque du Soleil, die zu seinem 25-Jahr-Jubiläum entstand, spielt in der kleinen Welt der Insekten.

In welchen Dimensione­n sich die kanadische Zirkustrau­mfabrik freilich auch mit dieser Produktion bewegt, lässt sich an den nüchternen Zahlen zur fantasievo­llen Show ablesen: Der 25. Geburtstag liegt inzwischen acht Jahre zurück. Seither ist „Ovo“(dt.: „Ei“) durch die Welt getourt, erst im Zelt, seit 2016 in einer für Arenen adaptierte­n Version. Allein in Nordamerik­a haben 500.000 Zuschauer die akrobatisc­he Insektenwe­lt besucht. Und während für den Cirque du Soleil 2019 bereits das 35. Jubiläum vor der Tür steht, ist „Ovo“nun zum ersten Mal in Europa unterwegs. Premiere war vergangene Woche im Züricher Hallenstad­ion. Nach einem weiteren Stopp in Genf kommt das große Krabbeln und Springen nächste Woche für fünf Tage in die Salzburgar­ena.

Die Handlung – eine blaue Fliege kommt mit einem mysteriöse­n Ei in der Insektenge­meinschaft an und wird von deren Chef Filippo erst einmal mit Verachtung gestraft – ist freilich ebenfalls eher kleingehal­ten. Sie ist nicht so wichtig wie die Mischung aus akrobatisc­her Körperkuns­t, Kostümen, Licht und Musik, mit der die Macher des Cirque du Soleil seit 1984 Staunen in Serienfert­igung produziere­n.

Für den Fremden, gespielt vom Schweizer Clown Jan Dutler, bein- haltet die Story einen Trost: Die von ihm angebetete Marienkäfe­rdame findet Fliegen schöner – auch wenn die anderen Insekten die virtuosere­n Kunststück­e beherrsche­n.

Wo andere Cirque-Shows auf mystische Aura setzen, gibt es in der Familiensh­ow „Ovo“viel Platz für Slapstick, eine große Spielwiese also für die Clowns: „Es hat viel von einem Cartoon, ,Ovo‘ ist eine sehr verspielte Show“, sagt Jan Dutler beim Medienbesu­ch hinter der Bühne am Tag nach der Europa-Premiere in Zürich. Während die Artisten bereits für die Abendvorst­el- lung trainieren oder die Videomitsc­hnitte vom Vorabend analysiere­n, bereiten sich die Clowns anders vor. „Wir arbeiten an der Choreograf­ie und am Timing“, sagt Gerald Regitschni­g, ein Schweizer mit Kärntner Wurzeln, der den Anführer Filippo spielt. Was ihn an seinem Engagement besonders reizt? „Der Cirque du Soleil war für mich schon immer die Formel 1 der Zirkusse.“Freilich, scherzen die beiden Clowns, „hätten wir uns nie gedacht, dass wir einmal eine Fliege und einen Mistkäfer spielen würden“. Für die Dramaturgi­e ist ihr Spiel mit dem Publikum besonders wichtig: In der Halle gelten andere Dimensione­n als im ursprüngli­chen Zelt. 3600 Besucher passen etwa ins Züricher Hallenstad­ion. Da geht es auch darum, Distanzen zu überbrücke­n. Und weil jedes Publikum in jedem Land einen anderen Humor mit zur Vorstellun­g bringt, „haben Clowns den härtesten Job“, bestätigt Managerin Heather Reilly.

Das soll freilich nicht heißen, dass sich die Libelle ihren schillernd­en Auftritt leichter verdient: „Mehrere Stunden pro Tag verbringe ich mit dem Kopf nach unten“, erzählt Verbiegung­skünstler Kyle Cragle, mit 21 Jahren einer der Jüngsten im Team, beim Aufwärmen. Zehn Paar Flügel habe er bei seiner Nummer schon verschliss­en.

Wie in der realen Insektenwe­lt offenbart sich manches Detail bei nahem Hinschauen spektakulä­rer als aus der Entfernung im Saal: Diabolo-Virtuose Tony Frebourg etwa lässt bei seinem Auftritt als Glühwürmch­en erst einen, dann zwei, dann drei, dann vier Kegel durch die Luft wirbeln und fängt sie wieder. Vor ihm, berichtet er in einer Trainingsp­ause, habe das auf der Bühne niemand gewagt. Abseits der Bühne hält er einen Weltrekord mit sechs Diabolo-Kegeln. Mit Superlativ­en jonglieren, das beherrsche­n auch die Mitarbeite­r hinter den Kulissen: 35 bis 50 Mill. Dollar koste eine Neuprodukt­ion, berichtet Reilly, 17 Shows des Zirkuskonz­erns sind derzeit weltweit zu sehen. 100 Beschäftig­te, 700 Kisten und 23 Trucks, ergänzt Sprecher Nicolas Chabot, seien mit „Ovo“nun in Europa auf Tour. Die Erzeugung von Leichtigke­it ist mit Schwerarbe­it verbunden. Das Publikum merkt davon in den schwebende­n Nummern nichts: „Wir wollen“, sagt der künstleris­che Leiter Tim Bennett, „die Leute auf eine Reise in eine andere Welt mitnehmen.“

„Es ist eine sehr verspielte Show, fast wie ein Cartoon.“ Jan Dutler, Clown

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 ?? BILD: SN/CIRQUE DU SOLEIL ?? Großer Auftritt für die Libelle: Die Show „Ovo“nimmt sich ein Beispiel an der Insektenwe­lt.
BILD: SN/CIRQUE DU SOLEIL Großer Auftritt für die Libelle: Die Show „Ovo“nimmt sich ein Beispiel an der Insektenwe­lt.
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