Salzburger Nachrichten

Robert Menasse gewinnt den Deutschen Buchpreis

- SN, APA

Als erst zweiter Österreich­er nach Arno Geiger vor zwölf Jahren bekommt Robert Menasse den Deutschen Buchpreis für seinen Roman „Die Hauptstadt“. „Ich bin sehr gerührt“, sagte Menasse in ersten Dankeswort­en bei der Verleihung am Montagaben­d in Frankfurt.

Die Europäisch­e Union ist ein komplizier­tes Gebilde, und Menasses Roman wirkt anfangs ähnlich verwirrend. Doch allmählich baut sich Spannung auf und den Leser packt die Neugier darauf, wie es wohl weitergeht.

Der Senf ist pure Fiktion. Es gibt ihn nicht, den scharfen englischen und den süßen deutschen Senf, mit dem Robert Menasses Roman „Die Hauptstadt“beginnt, jedenfalls nicht in dem beschriebe­nen Supermarkt am Boulevard Anspach in Brüssel und schon gar nicht in Tuben. 14 Sorten bietet die – sehr wohl existieren­de – Filiale feil: alle in Gläsern und keine deutsche oder englische Sorte dabei. Menasse aber braucht den Tubensenf für die winzigen Hundekot-Skulpturen auf dem Teller des EU-Beamten Martin Susman, dessen Bratwurst zu Anfang in der Pfanne verbrennt.

Sieben Figuren führt der Autor allein auf den ersten fünf Seiten seines neuen Buchs ein, dann kommt die Szene mit dem Senf – und es bleibt vorläufig unübersich­tlich. „Die Hauptstadt“wimmelt von verschiede­nen Erzählsträ­ngen und Charaktere­n, deren mögliche Beziehung zueinander der Leser erst allmählich erahnt – und mit zunehmende­r Spannung verfolgt. Nach und nach verwebt Menasse diese Fäden zu einem Bild der Europäisch­en Union, das die Hilflosigk­eit und heillose Verstricku­ng des EUSystems deutlich macht.

„Die Hauptstadt“ist ein resolut europäisch­er Roman, der Fehlfunkti­onen der Europäisch­en Kommission schonungsl­os der Lächerlich­keit preisgibt. Der Wiener Autor kombiniert dafür präzise Brüsseler Ortskenntn­is mit inhaltlich­em Erfindungs­reichtum. Von der Senfauswah­l im Supermarkt bis zum Zeitpunkt der tödlichen Explosion in der Metrostati­on Maelbeek lässt sein Buch die Fakten hinter sich, um die europäisch­e Wirklichke­it wohl wahrhaftig­er und jedenfalls anschaulic­her zu beschreibe­n, als alle Sitzungspr­otokolle und Festschrif­ten dies vermögen.

Zu viel für einen Roman von 459 Seiten? Das könnte sein. Man darf gespannt sein auf die von Menasse versproche­ne Fortsetzun­g.

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BILD: SN/APA/DPA/ARNE DEDERT Robert Menasse

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