Was ist los mit Tennis-Ass Thiem?
Knappe Entscheidungen, unerklärliche Niederlagen. Österreichs Jungstar schwächelt seit den US Open. Eine Ursachenforschung.
SALZBURG. Die letzten Wochen haben ihre Spuren bei Österreichs bestem Tennisspieler hinterlassen. Seit den US Open und der bitteren Achtelfinale-Niederlage gegen den Argentinier Juan Martin del Potro hat Dominic Thiem mit Ausnahme des Daviscups und des Laver Cups kein Match mehr gewonnen. Was sind die Ursachen für den Einbruch des Weltranglisten-Siebten, der vor allem in der zweiten Saison-Hälfte so viele Chancen ausgelassen hat. Ein SN-Check.
Mentale Leistung
Die Reaktion nach der Dreisatz-Niederlage von Schanghai gegen den Serben Viktor Troicki war symbolisch: Da zertrümmerte der 24-Jährige auf dem Weg zum Netz seinen Schläger. Kein Wunder. Die Gelassenheit ist längst verloren gegangen. Knappe Niederlagen – auch nach vergebenen Matchbällen wie gegen del Potro in New York, in Montreal gegen Diego Schwartzman und in Washington gegen Kevin Anderson – haben gehörig am Selbstvertrauen des Lichtenwörthers genagt. Die mentale Stärke eines Top-Ten-Spielers, die bei Thiem immer wieder den Unterschied ausgemacht hat, ist zurzeit offensichtlich angeknackst. Coach Günter Bresnik brachte die spielerische Situation nach dem Aus gegen del Potro auf den Punkt: „Da waren so viele Undiszipliniertheiten dabei, unglaublich.“Abhilfe sollte jetzt nach einer Woche Pause das Heimturnier in Wien bieten.
Die Schläge
Die Selbstverständlichkeit der Schläge des Tennisaufsteigers ist dahin. An guten Tagen waren Vorhand und Rückhand gegen jeden Gegner der Welt eine Waffe. Thiem konnte den Konkurrenten aus allen Positionen vom Platz erdrücken. Der gefürchtete Kick-Aufschlag nach außen war für viele schier unerreichbar. Mittlerweile schleichen sich gerade in entscheidenden Situationen zu viele unerzwungene Fehler ein – für einen Spieler des Kalibers Dominic Thiem eher ungewöhnlich. Oder können die Spieler auf der anderen Seite des Platzes die Schläge des Österreichers nun besser lesen?
Konstanz
Das erste Halbjahr von Dominic Thiem war atemberaubend, er arbeitete sich sogar bis auf Rang sieben der Welt vor. Bis zum Turnier in Wimbledon hat der Sieger des Turniers von Rio 2017 insgesamt 38 Matches gewonnen. Seit dem Rasenhöhepunkt gelangen nur noch sechs Erfolge bei regulären Turnieren. Insgesamt gab es dieses Jahr sieben Niederlagen bei einem ersten Turnierauftritt. Ein rätselhafter Einbruch.
Turnierplanung
Liegt es vielleicht an der Turnierplanung? Sicher ist, dass der Daviscup auf Sand gegen Rumänien (zwei Einzelsiege für Thiem) in der Phase zwischen zwei Hartplatzturnieren nicht unbedingt zuträglich war. Das ÖTV-Team hätte vermutlich gegen die Nummer 611 der Welt (Nicolae Frunza) und die Nummer 707 (Bogdan Borza) auch ohne Thiem gewonnen. Aber vielleicht geht mit dem Stadthallenturnier in Wien alles wieder in Richtung Erfolg. Der Tennisfan würde es sich wünschen.