Wahlkampf bis zur letzten Minute
Vom Marx-Palast bis zum Viktor-Adler-Markt, von der John-Otti-Band bis zur Bierbar: Wie die Parteien ihre Wähler mobilisierten.
WIEN. Die Spitzenkandidaten der Parteien gönnen sich auch in den letzten Stunden vor der Wahl keine Ruhe. Sebastian Kurz, Chef der „neuen Volkspartei“, bat seine Anhänger Freitagnachmittag zum Wahlkampf-Abschluss vor die Parteizentrale. Doch es war kein wirklicher Abschluss. Unmittelbar nach seinem Statement stieg Kurz in den türkisen Tourbus und startete zu einer 36-Stunden-Tour quer durch Österreich. Es gehe um „Mut, Kraft und Entschlossenheit“, lautete Kurz’ Botschaft an seine Anhänger, und auch die übrigen Kernbotschaften wurden noch einmal an den Mann und an die Frau gebracht: Senkung der Steuerlast, Entlastung der kleinen und mittleren Einkommensbezieher, Stopp der Zuwanderung ins Sozialsystem.
Optimismus versprühen: Das war die Devise beim Wahlkampffinale der Grünen Freitagnachmitttag im Wiener Marx-Palast. „Auf der Straße ist die Stimmung viel besser, als die Umfragen uns sagen“, lautete der Tenor unter den Besuchern. Dass die Grünen laut Umfragen um den Einzug in den Nationalrat bangen müssen, will sich hier niemand vorstellen. Doch das Klatschen kann die Anspannung nicht kaschieren, als Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek die Bühne betritt. Speziell das Schreckgespenst Peter Pilz macht die Grünen nervös. „Er wird uns vor allem in Wien sehr weh tun“, erklärt ein Parteifunktionär. Für die Grünen sei der Wahlkampf angesichts der Asylkrise schwierig gewesen, meint ein anderer. Während Lunacek eingeklatscht wird, betritt ein berühmter Zaungast fast unbemerkt den Marx-Palast: Eva Glawischnig. „Ich fiebere natürlich trotzdem mit“, sagte sie den SN. Vielumjubelter Gaststar des Abends ist der Chef der deutschen Grünen, Cem Özdemir.
Szenenwechsel vom hippen Marx-Palast zum weniger hippen Viktor-Adler-Markt im Herzen des Wiener Arbeiterbezirks Favoriten. Die drei afghanischen Burschen wissen nicht, wem sie da zuklatschen. Wenige Meter entfernt heizt die John-Otti-Band für FPÖ-Spitzenkandidat Heinz-Christian Strache die Stimmung an. Das Publikum beim blauen Wahlkampffinale ist gemischt. FPÖ-Anhänger mit Österreich-Fahnen stehen neben Frauen mit Kopftuch. „Nur wenige Stunden bis zum Ende von Rot-Schwarz“, dröhnt es aus den Lautsprechern. Trotz Freibier hat man hier in Favoriten bei früheren FPÖ-Veranstaltungen schon mehr Anhänger gesehen. „Der HC hat mir früher besser gefallen“, sagt eine ältere Dame. Trotzdem wählt sie die FPÖ: „Weil die haben schon immer etwas gegen die Flüchtlinge getan“, sagt sie.
Die SPÖ feiert sich selbst Freitagabend im Festzelt neben dem Wiener Burgtheater bei Freibier, Würstel und Kinderschminken. Von einem vermurksten Wahlkampf ist hier nichts zu spüren. Doch wer sich unter die Genossen und Genossinnen mischt, hört eher Durchhalteparolen als Siegersprüche. „Wir müssen jetzt noch ein bissl rennen, sonst rennt am Sonntag alles schief“, erklärt ein Gewerkschafter. Einige Meter weiter an der Bierbar denken einige Studentinnen an den mühsamen Wahlkampf zurück: „Die letzten Tage waren richtig taff. Die Silberstein-Affäre ist leider schon bei vielen Menschen hängen geblieben.“Eine ältere Dame mit rotem Schal sieht den Darbietungen auf der Videowall zu und schüttelt den Kopf: „Man muss mit Veränderungen rechnen“, sagt sie und beobachtet weiter das Treiben.
Peter Pilz hat bereits Freitagvormittag seinen Wahlkampf beendet. Er sehe seine Liste als „Basis für etwas Neues und Alternative für kommende Wahlen“, sagt er in einer kleinen Ansprache vor dem Wiener Parlamentsgebäude. Die Neos, deren Vorsitzender Matthias Strolz am Freitag Salzburg besuchte, bitten heute, Samstag, zu ihrem Wahlkampfabschluss.