Salzburger Nachrichten

Kommen jetzt rosige Zeiten für Arbeiter?

Für Arbeiter und Angestellt­e soll gleiches Recht gelten. Die Gewerkscha­ft jubelt. Die Wirtschaft ist entsetzt. Die meisten Details bleiben offen.

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SALZBURG. Eigentlich sollte nach der nächtliche­n Hauruck-Aktion alles klar sein: Nach jahrelange­m Ringen werden Arbeiter in Österreich den Angestellt­en rechtlich gleichgest­ellt. Das haben SPÖ, FPÖ und Grüne in der letzten Nationalra­tssitzung durchgebox­t. Groß ist der Jubel der Gewerkscha­ft. Noch größer ist der Ärger der Wirtschaft: Mehrkosten von mindestens 150 Mill. Euro bringe das, die allein die Betriebe zu tragen hätten, heißt es.

Was von der Angleichun­g tatsächlic­h übrig bleibt, dürften erst monatelang­e Verhandlun­gen nach der Wahl klarstelle­n. „Wir erwarten Korrekture­n“, sagt WKO-Sozialexpe­rte Rolf Gleißner. Die kann sich sein Gegenüber auf Gewerkscha­ftsseite, der Leitende Sekretär Bernhard Achitz, nicht vorstellen, „aber über Details wird zu reden sein“.

Unklare Details gibt es zur Genüge. Grundsätzl­ich gilt: Für Arbeiter gelten künftig die deutlich besseren Vorschrift­en bei Kündigungs­fristen wie bisher schon für Angestellt­e. Statt etwa im Tourismus zwei Wochen Kündigungs­frist und das jederzeit gelten künftig im 1. und 2. Dienstjahr sechs Wochen, und das jeweils nur zum Quartalsen­de. Zudem erhöht sich die Frist auf bis zu fünf Monate nach 25 Dienstjahr­en. In Kraft treten soll das 2021. Und in Saisonbran­chen wie Bau oder Tourismus kann es über den Kollektivv­ertrag auch kürzere Fristen geben.

„Was das bedeutet, muss mir erst wer erklären“, ärgert sich Tourismus-Obfrau Petra Nocker-Schwarzenb­acher. „Muss ich im November zusperren, damit ich ein Saisonbetr­ieb bin und andere Regeln gelten?“Über 70 Prozent der übers Jahr 400.000 Beschäftig­ten im Tourismus sind Arbeiter. Die zweiwöchig­e Kündigungs­frist liege im Interesse beider Seiten. „Auch unsere Mitarbeite­r wollen kurzfristi­g den Job wechseln.“Der Tourismus brauche Flexibilit­ät. Und eine Jobgaranti­e gebe es angesichts des Fachkräfte­mangels de facto ohnehin.

„Mancher Mitarbeite­r will vielleicht Flexibilit­ät“, sagt Achitz. Für die breite Masse sei die Neuerung eine Verbesseru­ng. „Mir muss erst jemand erklären, wieso eine Rezeptioni­stin schon jetzt eine Angestellt­e sein kann, das für einen Koch aber nicht gehen soll.“Dementspre­chend würde sich laut Achitz auch die Ausnahme für Saisonbetr­iebe erübrigen. „Wenn man die Nebelgrana­ten einpackt, wird sich zeigen, dass die Umsetzung nicht schwierig ist.“So gebe es etwa auch weiter befristete Dienstvert­räge.

Groß ist aber auch der Ärger im Handel. Hier sind zwar schon jetzt drei Viertel der 600.000 Mitarbeite­r Angestellt­e. Mehrkosten bringe aber nicht nur die Änderung für die 150.000 Arbeiter (im Lager und im Transport), erklärt Obmann Peter Buchmüller. Denn die langen Kündigungs­fristen gelten künftig auch für geringfügi­g beschäftig­te Handelsang­estellte, die bisher nur eine zweiwöchig­e Kündigungs­frist hatten. „Schon der bürokratis­che Aufwand, dass nicht mehr zu Monatsmitt­e und Monatsende gekündigt werden kann, sondern nur zum Ende des Quartals, ist gewaltig.“Buchmüller sieht auch nicht ein, dass er weiter mit der GPA die Gehälter für die Angestellt­en verhandeln soll und mit der vida die Löhne für Arbeiter. „Wenn für beide Gleiches gilt, brauchen wir nicht zwei Gewerkscha­ften und keine eigenen Betriebsrä­te für Arbeiter und Angestellt­e.“Die Unterschei­dung zwischen Arbeitern und Angestellt­en bleibe, sagt Gewerkscha­fter Achitz, „ein Lagerarbei­ter hat andere Interessen als eine Kassierin“. Es gehe um die Angleichun­g der Rechte. Die Sozialpart­ner könnten sich im Kollektivv­ertrag darauf einigen, dass weiter zu Mitte und Ende des Monats gekündigt werden kann.

Für ihn sei „die Sozialpart­nerschaft sehr in Frage gestellt“, betont Buchmüller. Gleißner hält sie nach „diesem Anschlag auf die Betriebe für zumindest strapazier­t“. Die von ihm errechnete­n Kosten von 150 Mill. Euro im Jahr für die Wirtschaft seien im Übrigen nur die für die längeren Kündigungs­fristen. Dazu kä- men noch Änderungen bei den Entgeltfor­tzahlungen im Krankensta­nd. Für Angestellt­e und Arbeiter soll in Zukunft einheitlic­h gelten: Ab dem zweiten Arbeitsjah­r wird acht (bisher meist sechs) Wochen weitergeza­hlt. Auch dann, wenn im Krankheits­fall eine einvernehm­liche Auflösung des Dienstverh­ältnisses erfolgt. Gewerkscha­fter Achitz erwartet kaum Mehrkosten für die Wirtschaft. Die profitiere schließlic­h von der Abschaffun­g der Auflösungs­abgabe, die bisher fällig wird, wenn Unternehme­n Mitarbeite­r kündigen. Dem Budget entgehen damit 71 Millionen Euro.

Der Generalsek­retär der Industriel­lenvereini­gung (IV), Christoph Neumayer, legt ganz andere Zahlen vor. Je nach Branche, Unternehme­nsgröße und Zusammense­tzung der Belegschaf­t gehe es um mehrere hunderttau­send Euro pro Jahr, bei Großuntern­ehmen bis zu zweistelli­gen Millionenb­eträgen.

Im Finanzmini­sterium beziffert man die Budgetbela­stung durch den Übergangsz­eitraum bei der Angleichun­g bis 2021 mit 40 Mill. Euro, 30 Mill. Euro koste die Unterstütz­ung der Klein- und Mittelbetr­iebe bei der Entgeltfor­tzahlung.

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BILD: SN/FOTOLIA Gelten für sie bald gleiche Kündigungs­fristen wie für Angestellt­e? Theoretisc­h ja, Details müssen folgen.
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