Der Homo oeconomicus und was Alois Stöger unter Markt versteht
Holen Sie sich, was Ihnen zusteht: Bei dieser dezenten Einladung darf es nicht bleiben. Es ist Zeit, anderen in die Tasche zu greifen.
Endlich Wahltag. Für Unentschlossene gab es in den vergangenen Wochen zahlreiche Möglichkeiten, sich ein Bild der wahlwerbenden Gruppen zu machen. Die beste Entscheidungshilfe bot allerdings die letzte Sitzung des Nationalrates. Da wurde unter dem Deckmantel des gelebten Parlamentarismus und wechselnder Mehrheiten einmal mehr ein übles Schauspiel dessen geboten, was sich bei uns Politik nennt.
Dabei hatte die Woche eigentlich gut begonnen. Richard H. Thaler, ein Pionier der Verhaltensökonomie, erhielt den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften zuerkannt. Er entzauberte das Trugbild vom „Homo oeconomicus“, dieser in der realen Welt nicht anzutreffenden Spezies Mensch, die rein rational handelt und stets perfekt über den Markt informiert ist. Es hat gedauert, aber mittlerweile hat die Ökonomenzunft ihr Weltbild entsprechend korrigiert.
In Österreichs Innenpolitik hat man schon sehr viel früher erkannt, dass es nirgendwohin führt, sich vom Verstand leiten zu lassen. Für den österreichischen Homo politicus ist der ökonomische Sachverstand eine verborgene Welt. Und keiner verkörpert diese Unvereinbarkeit besser als Sozialminister Alois Stöger. In unheiliger Allianz mit Grünen und Freiheitlichen, die in der nächtlichen Parlamentssitzung jegliche wirtschaftspolitische Kompetenz abstreiften, bekam Stöger bei den Bankomatgebühren, was er wollte. Verboten hat er sie entgegen seiner ursprünglichen Absicht zwar nicht, aber eine Bank darf sie nur einheben, wenn sie ein Konto anbietet, bei dem alle Bargeldabhebungen pauschal abgegolten sind. So weit, so vertretbar. Aber es wäre nicht Stöger, wenn er es dabei beließe. Banken müssen Kunden auch Gebühren refundieren, die ihnen ein unabhängiger dritter Automatenbetreiber verrechnet. Da reibt man sich die Augen. Stöger sagt, mit der Novelle würde ein Markt entstehen. Man ahnte, dass sich Sozialisten den Markt anders vorstellen, aber so anders?
Der politische Taschendiebstahl, der in Österreich so beliebt ist, er hat in Stöger seinen Meister gefunden. „Holen Sie sich, was Ihnen zusteht“– der SPÖ-Slogan war noch viel zu de- fensiv. Ginge es nach Stöger, müsste er heißen: „Wenn man Ihnen nicht gibt, was Ihnen zusteht, greifen Sie einfach einem anderen in die Tasche.“Sein Modell ist aber ausbaufähig.
Kontogebühren? Wenn sie einem Kunden zu hoch sind, muss er nicht die Bank wechseln, er kann sich das zu viel Bezahlte von einem Mitbewerber holen. Es funktioniert auch im Handel. Wenn Sie nächstens in Supermarkt A ein Produkt kaufen und es in Supermarkt B um 2 Euro billiger sehen, zögern Sie nicht, sich zu holen, was Ihnen zusteht. Verlangen Sie an der Kasse lautstark, dass man Ihnen die Differenz refundiert. Sollte man Ihnen das verwehren, nennen Sie einfach das Zauberwort „Alois“. Sie werden sehen, dass der herbeigerufene Filialleiter persönlich in die Kassa greifen und Ihnen eilfertigst die Differenz überreichen wird.
Dass die SPÖ gegen eine Schuldenbremse stimmte, muss man dann eigentlich schon als konsequent und als rationale Entscheidung bezeichnen. Außerdem würde sich Alois Stöger davon ohnehin nicht bremsen lassen. Der Mann fährt immer mit Vollgas. Aber wohin?