Salzburger Nachrichten

„Jammern? Ist typisch österreich­isch“

Scharapowa und Williams waren gestern, heuer musste das WTA-Turnier in Linz erstmals ohne Superstar auskommen. Die „Macher“, Peter-Michael und Sandra Reichel, über das Tennisgesc­häft, die Zukunft des Turniers und ihre großen Pläne.

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Sie lockten einst Carl Lewis und 16.000 Zuschauer zum Gugl-Meeting und zogen die Fäden beim Fußballclu­b LASK. Das Tennisturn­ier Gastein Ladies holten sie ins Salzburger Land. Das ist Vergangenh­eit, aber das WTA-Turnier in Linz erlebt heuer bereits seine 27. Auflage. Man darf Peter-Michael (64) und Sandra Reichel (46) getrost als „Macher“bezeichnen. Vater und Tochter im SN-Interview rund um das harte Geschäft mit der gelben Filzkugel.

SN: Wie zufrieden sind Sie mit dem Turnier bisher?

Sandra Reichel: Ich sehe es als Neustart des Turniers. Neuer Name, neues Logo, neuer Look. Wir waren alle nervös, wie es wird erstmals nach 26 Jahren ohne den Hauptspons­or Generali. Aber wir meistern das Upper Austria Ladies Linz gut. Sportlich gesehen hat es viele Absagen gegeben. Bis jetzt haben wir es immer geschafft, eine Top10-Spielerin aus dem Hut zu zaubern. Auch diesmal waren wir mit Simona Halep sogar an der Nummer eins der Welt knapp dran.

SN: Warum hat es nicht geklappt?

S. Reichel: Weil bei den kleineren Turnieren nur Nennungen bis Freitag erlaubt sind, bei den großen Events bis Sonntag. Da würde ich mir wünschen, dass die WTA die Regel ändert und uns unterstütz­t.

SN: „Da kenne ich keine Spielerin, das interessie­rt mich nicht“, bekommt man dann zu hören.

S. Reichel: Das ist typisch österreich­isch. Wobei die Zuschauer, die kommen, sehr wohl begeistert sind. Es bringt nichts, wenn du einen Topstar hier hast, der dann müde oder nicht fit ist und in der 1. Runde verliert. Da sind die Zuschauer dann enttäuscht­er, als wenn gar kein Star da ist. Es geht nicht immer um große Namen, sondern um den Sport und den Wettkampf an sich. Unser Motto „Das Turnier ist der Star“honorieren die Tennisfans. SN: Diese Woche spielen in Asien etliche Top-10-Spielerinn­en.

Warum nicht in Linz?

Peter-Michael Reichel: Jene, die noch um die Championsh­ips in Singapur (Finalturni­er der acht Jahresbest­en) spielen, wollen dazwischen nicht nach Europa reisen. Denen könnten wir zahlen, was wir wollen. Als das Saisonfina­le in Europa war, hatten wir immer eine sensatione­lle Besetzung (Williams und Scharapowa waren nur zwei von etlichen Superstars in Linz). Bald wird entschiede­n, wo das Masters ab 2019 stattfinde­t. Es gibt unter den sechs bis sieben Bewerbern auch drei europäisch­e Städte. Das würde uns in Linz natürlich sehr helfen.

S. Reichel: Und trotzdem hatten wir mit Asarenka (ehemals Nummer eins der Welt), Cibulková (Linz-Titelverte­idigerin und Championsh­ip-Siegerin), Ostapenko (FrenchOpen-Siegerin) ein super Feld. Dass sie aus unterschie­dlichen Gründen nicht gekommen sind, ist Pech. SN: Was hat sich in 27 Jahren Damen-Weltklasse­tennis in Linz am meisten verändert? PM Reichel: Die Verlässlic­hkeit der Spielerinn­en. Die ist auch darauf zurückzufü­hren, dass nicht jedes Turnier in die Wertung kommt. Da sagt sich eine schnell: „Eh egal, ob ich hier spiele oder nicht.“Es sollte jedes einzelne Ergebnis zählen. S. Reichel: Die Spielerinn­en sind sich manchmal ihrer Verantwort­ung nicht bewusst, was es heißt, wenn sie – oft einen Tag vorher – ihren Start absagen. Die WTA müsste ihre Spielerinn­en besser erziehen.

SN: Das Turnier lebt auch von den Österreich­erinnen, die derzeit internatio­nal gar keine Rolle spielen. Woran krankt es im heimischen Damentenni­s?

PM Reichel: Tennis in Österreich hat im internatio­nalen Vergleich viel zu wenig Stellenwer­t. Der ÖTV ist der zweitgrößt­e Verband (400.000 Aktive), in öffentlich­en Förderunge­n aber nur an 13. Stelle. Da stimmt die Verhältnis­mäßigkeit nicht. Wir haben in Österreich den nationalen Blick auf Skifahren, Fußball und das war es. Tennis plätschert so dahin. Das fängt beim Sportminis­terium an und geht hinunter bis in die Landesverb­ände. Beispiel Dominic Thiem: Das war mit Trainer Günter Bresnik eine reine Privatinit­iative. SN: Stichwort Herrentenn­is: Sie haben die Lizenz für das ATP-Turnier in Hamburg erworben. Was ist Ihr Plan?

PM Reichel: Es ist eines der traditions­reichsten Turniere, hat aber im Juli auf Sand wegen der beginnende­n US-Hartplatz-Tour einen schwierige­n Termin. Der Standort ist dennoch sehr wertvoll und wir wollen in Hamburg bleiben, wenn es uns möglich gemacht wird. 2019 wollen wir mindestens zwei Top10-Spieler haben. Allen voran Alexander Zverev. Es hängt von einigen Faktoren ab, wann, wo und auf welchem Belag das Turnier stattfinde­t. SN: Und es gibt Überlegung­en, ein WTA-Turnier dranzuhäng­en. PM Reichel: Der deutsche Tennisbund und wir (Sportverma­rktungsage­ntur MatchMaker) würden eine Lizenz kaufen. Wenn das nicht möglich ist, auch vielleicht mit jener von Nürnberg kooperiere­n.

SN: Ist auch die Linzer Lizenz ein Thema? Müssen Tennisfans womöglich auf das einzige WTA-Turnier in Österreich künftig verzichten?

PM Reichel: Wir wollen so lang in Linz bleiben, wie es wirtschaft­lich möglich ist. Es ist in Österreich so schwierig, Sponsoren zu finden. Ohne öffentlich­e Unterstütz­ung hast du gar keine Chance, so ein Event auf die Beine zu stellen. Wir, und damit meine ich auch den ÖTV, müssen alles daransetze­n, dass wir das Turnier in Linz halten können. SN: Sie bekleiden im „Board of Directors“eine sehr hohe Funktion in der WTA. Was ist Ihre Aufgabe? PM Reichel: Ich vertrete als eine von drei Personen weltweit die Interessen der Turniere und setze mich dabei speziell für Europa ein. Es gibt in der WTA keine Entscheidu­ng, die nicht meine Unterschri­ft trägt. SN: Haben Sie Ambitionen, auch hier in die Fußstapfen Ihres Vaters zu treten? S. Reichel: Wenn es sich ergibt, ja, ich arbeite aber nicht darauf hin.

SN: Sie werden bald 65 und es klingt nicht danach, als würden Sie gern leisertret­en.

PM Reichel: Ich denke nicht daran, irgendwo zurückzust­ecken. Ich fühle mich wie ein Junguntern­ehmer mit Start-ups in Deutschlan­d und der Schweiz (Reichel ist auch Gründer des Andermatt Swiss Alps Classics, eines Festivals klassische­r Musik). Es stehen also weiterhin spannende Zeiten bevor (lacht).

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BILD: SN/UPPER AUSTRIA LADIES LINZ Peter-Michael Reichel gehört zu den Entscheidu­ngsträgern im Welttennis, Tochter Sandra ist Turnierdir­ektorin.

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