Salzburger Nachrichten

Acht Lehren aus diesem Wahlk(r)ampf

Zu lang, zu teuer, zu schmutzig. Eine konstrukti­ve Wahlbewegu­ng funktionie­rt anders.

- Manfred Perterer MANFRED.PERTERER@SN.AT

Die Wähler kaufen die Katze im Sack

Noch ein Mal schlafen, dann ist Nationalra­tswahl 2017. Gott sei Dank. Aus dem längsten, schmutzigs­ten, nervigsten und teuersten Wahlkampf aller Zeiten sollten wir Lehren ziehen.

1. Ein Wahlkampf muss zeitlich begrenzt sein. Sechs Wochen wären genug. Wir hingegen haben fünf Monate Intensivwa­hlkampf hinter uns. Es ist alles mehrfach gesagt, auch von jedem. Die Argumente wiederhole­n sich. Nicht nur die Kandidaten, auch die Zuseher können die eingelernt­en Phrasen bereits auswendig aufsagen. Fazit: Was den Bürgern in eineinhalb Monaten nicht nähergebra­cht werden kann, das geht auch in fünf Monaten nicht. Wir hören eine Ausrede: „Es gibt Fristen, die eingehalte­n werden müssen.“Niemand hindert die Abgeordnet­en daran, diese überlangen Fristen zu verkürzen. Wir leben im digitalen und nicht im Postkutsch­enzeitalte­r.

2. Die Parteien bekommen in diesem Jahr 209 Millionen Euro Förderung. Das ist zu viel. Anders sind die fragwürdig­en Investitio­nen in schmutzige Kampagnen im Internet und riesige Plakatwänd­e nicht zu erklären. Insgesamt dürften bis Sonntag von den Parteien mehr als 30 Millionen Euro in die Materialsc­hlacht geworfen worden sein. Das sind nur die offizielle­n Zahlen. Hinzu kommen Aktivitäte­n, die aus Spenden und von befreundet­en Vereinen finanziert werden.

3. Schmutzküb­elkampagne­n gehören unterbunde­n. Es braucht dazu keinen eigenen Paragrafen im Strafgeset­z, da üble Nachrede und Verleumdun­g ja schon jetzt strafbar sind. Neu sollte auf jeden Fall eine Pflicht zur Veröffentl­ichung der Urhebersch­aft von Botschafte­n im Internet sein. Während sich alle klassische­n Medien für ihre Inhalte auch verantwort­en müssen, gilt das nur ansatzweis­e oder gar nicht für das Internet und vor allem für gewisse soziale Medien. Anonymität macht es den verbalen Heckenschü­tzen leicht, andere zu verunglimp­fen. Das gehört abgeschaff­t.

4. Die Legislatur­periode gehört wieder von fünf auf vier Jahre gekürzt. Den Wählerinne­n und Wählern muss das gestohlene Jahr an Mitwirkung zurückgege­ben werden.

5. Die Bürger kaufen am Sonntag die Katze im Sack. Keine der großen Parteien lässt sich herauslock­en, mit wem sie nach der Wahl eine Koalition bilden würde. Stattdesse­n werden die Wählerinne­n und Wähler von SPÖ, ÖVP und FPÖ für dumm verkauft. Jeder warnt vor einer Koalition der jeweils anderen.

Wir können daher bei der Stimmabgab­e nur raten, mit welcher Partei die von uns gewählte möglicherw­eise zusammenar­beiten würde. Wissen tun wir es nicht. Die Parteistra­tegen wenden ein, dass wir am Sonntag den Nationalra­t und nicht die Regierung wählen. Das stimmt. Genau dieselben Parteistra­tegen erwecken jedoch seit fünf Monaten den Eindruck, als hätten wir es mit einer direkten Kanzlerwah­l zu tun. Manche vergessen dabei sogar den Namen ihrer Partei. Wir möchten daher bereits vor der Abstimmung wissen, von wem sich der jeweilige Kandidat im Nationalra­t zum Kanzler wählen lassen möchte und von wem auf keinen Fall.

6. Es ist gut, dass sich bei uns im Gegensatz zu Deutschlan­d die Kandidaten der Öffentlich­keit stellen müssen. Man kann es aber übertreibe­n. Fast 50 Fernsehdue­lle sind zu viel. ORF, private Fernsehsen­der und die maßgeblich­en Qualitätsz­eitungen in Wien und in den Bundesländ­ern sollen sich zusammentu­n und gemeinsame Diskussion­sformate entwickeln. In diesem Fall gilt ganz sicher: Weniger ist mehr.

7. Von der Ausrufung einer Neuwahl bis zu deren Durchführu­ng (in Zukunft dauert das nur noch sechs Wochen) sollten im Nationalra­t keine Wahlgesche­nke mehr verteilt werden dürfen. Zum wiederholt­en Mal mussten wir erleben, dass die Parteien in letzter Minute durch Millioneng­eschenke ohne Gegenfinan­zierung glänzen und punkten wollten.

8. Auch wir Wählerinne­n und Wähler dürfen uns etwas vornehmen. Das Informatio­nsangebot war diesmal besser als je zuvor. Doch statt sich in einzelne Programme zu vertiefen, konnten viele von uns nicht widerstehe­n und haben sich am Dreck und den Lügengesch­ichten ergötzt. Die Lehre, die wir daraus ziehen: Ohne unser besonderes Interesse am Schlamm gäbe es gar keine Schlacht.

 ?? WWW.SN.AT/WIZANY ?? Na, neugierig? . . .
WWW.SN.AT/WIZANY Na, neugierig? . . .

Newspapers in German

Newspapers from Austria