Europa braucht starke Regionen, nicht neue Staaten
Warum müssen so viele Entscheidungen Hunderte Kilometer entfernt in der Hauptstadt getroffen werden? Das fragen sich in Europa viele Menschen, egal ob mit der Hauptstadt Wien oder Brüssel gemeint ist – oder Madrid, wie so oft in den vergangenen Wochen.
Die Regionalregierung in Katalonien hat die Abspaltung von Spanien weiter vorangetrieben. Und wie meistens im Fall von Sezessionsbestrebungen in einem EU-Land fiel eine Forderung schneller, als man überhaupt Unabhängigkeitsreferendum sagen kann – die nach einem Europa der Regionen.
Die Idee klingt verlockend. Der Nationalstaat verliert im gemeinsamen Europa und der globalisierten Welt ohnehin an Bedeutung. Schon vor Jahrzehnten befand der US-amerikanische Soziologe Daniel Bell, der Nationalstaat sei „für die großen Probleme zu klein und für die kleinen zu groß“.
Zudem wächst die Chance auf eine Beteiligung der Bürger, je näher bei ihnen (auch geografisch) Politik gemacht wird. Das spricht ebenfalls für eine Stärkung der Regionen.
Dazu kommen die vielen Unabhängigkeitsbestrebungen von Regionen in der EU. Sie lassen dieses Konzept als logischen Ausweg erscheinen.
Sollten wir also unser Europa der Mitgliedsstaaten einreißen? Nach neuer Architektur ein neues Regionengefüge hochziehen? Mitnichten. Es gibt ein Fundament, auf dem wir aufbauen können. Es nennt sich Regionalpolitik.
Die Regionen sind wichtig in der EU. Nicht umsonst ist fast ein Drittel des Budgets für die Fördertöpfe in diesem Bereich reserviert. Dazu kommen politische Initiativen. Die größte war die Gründung des Ausschusses der Regionen, der seit 1995 beratend auf die Gesetzgebung in der EU Einfluss nehmen kann. Ihm eine lautere Stimme zu geben würde die Regionen stärken.
Unabhängigkeitsbewegungen wie in Katalonien führen hingegen nicht zwingend zu einem stärkeren Europa der Regionen. Die Katalanen wollen ja gar keine autonome Region sein, wie sie in das Konzept vom Europa der Regionen passen würde. Sie wollen ein eigener, unabhängiger Staat in der EU sein.