Franz heißt die Kanaille
„Die Räuber“wüten in der Wiener Volksoper und singen deutsch statt italienisch. Giuseppe Verdis frühe Oper ist hierzulande selten zu hören, er hat sich selbst zu viel Konkurrenz gemacht.
Als der junge Giuseppe Verdi 1847 die Uraufführung seiner Auftragsoper „I masnadieri“im Londoner Her Majesty’s Theatre selbst dirigierte, war das ein schöner persönlicher Erfolg. Nur Königin Victoria moserte herum, dass ihr Mercadantes Oper „I briganti“weitaus besser gefallen habe, die ebenfalls denselben Stoff behandelte.
Ursprünglich hatte Verdi mit dem Gedanken gespielt, für London Shakespeares „König Lear“zu vertonen. Er kam zeitlebens nicht dazu, die Opernwelt musste auf Aribert Reimann und seinen „Lear“warten. „I masnadieri“war Verdis erste SchillerOper, und wie viel schon auf den späteren „Don Carlos“(1867) hinweist, verblüfft immer wieder, aber auch ein Jago oder eine Gilda klingen schon an in Verdis musikalischer Rollengestaltung.
Die Wiener Volksoper wagte sich nun an „Die Räuber“, wie am Haus üblich, auf Deutsch mit deutschen Übertiteln. Während Friedrich Schiller in seinem Sturm und Drang die gesellschaftliche Facette in bewegten Zeiten herausgearbeitet hatte, bleibt Verdis Librettist Andrea Maffei zwar eng am Text, fokussiert aber das Geschehen auf die familiären Aspekte. Diese Familie hat es ja in sich, die zwei ungleichen Brüder lösen ein Drama aus, bei dem es zuletzt keinen Sieger gibt, ja nicht einmal einen Überlebenden.
Inszeniert hat die Oper Alexander Schulin, wenig einfallsreich in der Personenführung, die Bühne (Bettina Meyer) beschränkte sich auf einen drehbaren dunklen Kubus, dessen Innenleben – ein Trichter mit Türen – ein abstrahiertes „Schloss“sein soll. Dieses unschöne, kaum elegant zu erklimmende Gebilde wird nur kurz durch einen Wald aus Neonröhren abgelöst. Die Kostüme von Bettina Walter sind „zeitgenössisch“mit Wams und Stiefeln, die Räuber tragen wohl erbeutete Pelzmäntel und schauen angemessen wild drein.
Schon in der Ouvertüre ist das schöne Cello-Solo in das mutmaßliche „Schloss“verpflanzt, der Cellist ist von gelangweilten Edelkindern umlagert – es ist auch schon der letzte Moment eines höfischen Idylls. Wenn sich die schwarze Rückseite des Würfels zum Publikum dreht, ist man in der Welt der Räuber, Franz vollzieht hier den endgültigen Wandel zum Räuberhauptmann, als ihn der vernichtende Lügenbrief seines intriganten Bruders Franz erreicht. Der Vernichtungswille dieses Franz, „der Kanaille“, ist enorm, er will den alten Vater beseitigen und den Bruder dazu und zuletzt Amalia, Karls große Liebe, an sich reißen, dazu ist ihm jedes Mittel recht.
Was das Libretto aus Schillers Drama „eingedampft“hat, muss Verdi in seiner Musik wettmachen, es gäbe feine emotionale Verästelungen, hätte sie der Dirigent bloß gefunden. Jac van Steen lässt das tadellose Volksopernorchester vornehmlich grell musizieren, was zu Druck auf der Bühne führt.
Der helle Tenor von Vincent Schirrmacher als Karl, der sich aus den Fängen seiner Räuberbande nicht mehr lösen kann und zuletzt zur Buße auf das Schafott will, nachdem er Amalia – unter deren suizidaler Mitwirkung – getötet hat, setzt sich noch gut durch. Boaz Daniel ist als Franz ein Finsterling, als Bariton nicht gerade strahlend, aber voluminös. Die ukrainische Sopranistin Sofia Soloviy hatte es als Amalia nicht leicht mit den Belcanto-Ansprüchen, die Höhen wirken eher steif. Dass der verehrungswürdige Bass-Veteran Kurt Rydl, der jüngst seinen 70. Geburtstag feierte, sich als alter Graf Moor – und in einer Persönlichkeitsaufspaltung als Priester Moser – ins Bellen und ein Vibrato flüchtet, das sich in keine Notenlinien zwängen lässt, trübt das Gesamtbild zudem.
Der Männerchor als Räuberbande scheint die vokale und szenisch fuchtelnde Zusammenrottung zu genießen, „Wir schänden und foltern“gibt sogar für ein Tänzchen Anlass. Applaus für alle. Oper: „Die Räuber“von Giuseppe Verdi. Wiener Volksoper; elf Aufführungen bis 11. Dezember.