Kurz als Kanzler nicht fix SPÖ liebäugelt mit der FPÖ
Christian Kern öffnet die SPÖ nach allen Seiten. Spannende Regierungsgespräche stehen bevor.
WIEN. „Wir wollen keine Tür zuschlagen, das haben wir heute klargemacht.“Mit diesem knappen Satz begründete der SPÖ-Vorsitzende Christian Kern am Montag nach einer Sitzung von SPÖ-Vorstand und -Präsidium die Bereitschaft seiner Partei, nicht nur mit der ÖVP, sondern auch mit der FPÖ Regierungsgespräche zu führen.
Die am Sonntag von der ÖVP geschlagenen Sozialdemokraten halten sich also alle Optionen offen – auch die Option, mit der jahrelang von den Sozialdemokraten geächteten FPÖ eine Regierung einzugehen und den Wahlsieger Sebastian Kurz auszubooten. Es würde sich um keine Premiere handeln: Bereits im Jahr 2000 taten sich der Zweit- und der Drittplatzierte zusammen, nämlich FPÖ und ÖVP, um eine Regierung ohne den damaligen Wahlsieger SPÖ zu bilden.
Der Entschluss der SPÖ-Gremien, bei einer entsprechenden Einladung auch mit der FPÖ Regierungsgespräche zu führen, ging nicht ohne Rumoren über die Bühne. Wiens Bürgermeister Michael Häupl äußerte seine Skepsis, was Parteichef Kern „zur Kenntnis“nahm. Der Kanzler geht aber offensichtlich ohnehin nicht davon aus, dass seine Partei zum Zug kommen wird. Die Programme von ÖVP und Freiheitlichen seien „fast wortident“. Er nehme daher an, dass die beiden Parteien relativ rasch ein gemeinsames Regierungsprogramm haben werden, sagte Kern.
Doch auch für die nach wie vor wahrscheinlichste Regierungsvariante, eine ÖVP-FPÖ-Koalition, gibt es noch Hindernisse zu überwinden. In weiten Kreisen der FPÖ hält sich die Begeisterung über eine Regierung mit der ÖVP in engen Grenzen. Viele Funktionäre haben noch nicht vergessen, wie die ÖVP in der Zeit von Wolfgang Schüssel mit der FPÖ umgegangen ist. 2002, bei der ersten Nationalratswahl nach ihrem Regierungseintritt, verlor die FPÖ fast zwei Drittel ihrer Stimmen, in der Folge spaltete sich das BZÖ von der FPÖ ab. Was das Wahlergebnis betrifft, sind die Freiheitlichen erst bei der Wahl von vergangenem Sonntag wieder dort angekommen, wo sie 1999 vor ihrem Eintritt in die Regierung Schüssel standen.
Während ÖVP, SPÖ und FPÖ über eine Regierungsbeteiligung nach- denken, sind die Grünen nach ihrer argen Schlappe von der Selbstauflösung bedroht. Sollten die Grünen, was am Montag noch nicht endgültig feststand, tatsächlich den Wiedereinzug ins Parlament verpassen, würden sie 8,9 Millionen Euro Fördergelder auf Bundesebene verlieren. Gleichzeitig müssten Millionenschulden aus dem Wahlkampf beglichen werden. Die Auflösung des Parlamentsklubs würde Kosten in Millionenhöhe verursachen. Auch würden Dutzende Mitarbeiter ihren Job verlieren.