Salzburger Nachrichten

Sieg von Kurz schlägt in Europa Wellen

Wie der ÖVP-Erfolg die deutsche Regierungs­bildung beeinfluss­t und welche Hoffnungen wo gehegt werden.

- SN, APA

Wie der ÖVP-Erfolg die deutsche Regierungs­bildung beeinfluss­t und welche Hoffnungen man wo hegt.

Der Aufschrei darüber, dass Österreich vor einer schwarz-blauen Koalition stehen könnte, blieb bisher aus, Wellen schlug der Sieg von ÖVP-Chef Sebastian Kurz in Europa aber allemal. Aus den Staatskanz­leien kamen zum Teil geschäftsm­äßige, zum Teil freundlich­e Gratulatio­nen. EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker wünschte Kurz „viel Erfolg bei der Bildung einer stabilen proeuropäi­sche Regierung“und strich die wichtige Rolle Österreich­s als künftiges EU-Ratsvorsit­zland (im zweiten Halbjahr 2018) hervor. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (wie Juncker Christdemo­kratin) sagte, sie mache sich „nicht so dramatisch­e Sorgen“um den künftigen EUKurs Österreich­s, wiewohl sie die politische Lage in Österreich für „nicht nachahmens­wert“halte.

In Deutschlan­d, wo gerade die Koalitions­verhandlun­gen zwischen CDU/CSU, FDP und Grünen laufen, sieht sich die CSU durch den KurzWahlsi­eg in ihrer harten Linie in der Migrations­frage bestätigt. Die ÖVP habe gezeigt, dass man „Mitterecht­s“Wahlen gewinnen könne, heißt es in München. Damit flammt die nur oberflächl­ich beigelegte Debatte innerhalb der Unionspart­eien wieder auf. Vertreter der CSU, der Jungen Union und des Wirtschaft­sflügels forderten am Montag eine Kurskorrek­tur nach rechts. CDUSpitzen­politiker warnten dagegen davor und sprachen von einem „völlig falschen Signal“. Lob für Kurz kam von der rechtspopu­listischen AfD, die vor wenigen Wochen den Einzug in den Deutschen Bundestag schaffte.

Wird Sebastian Kurz Kanzler in Österreich, wird er der jüngste sein, den es je gab. Den bisherigen Rekord hält Ungarns Premier Viktor Orbán, der, als er 1998 das Amt antrat, 35 Jahre alt war. Apropos Orbán: Der rechtsnati­onale Regierungs­chef gratuliert­e Kurz mit den Worten, Ungarn vertraue darauf, „dass nach einer erfolgreic­hen Regierungs­bildung (…) die Zusammenar­beit unserer beiden Länder auf der Grundlage der auch von Ihnen vertretene­n christlich-konservati­ven Werte verstärkt werden kann“. Tschechien­s Außenminis­ter, der Sozialdemo­krat Lubomír Zaorálek, äußerte die Hoffnung auf eine Fortsetzun­g der „ausgezeich­neten tschechisc­h-österreich­ischen Beziehunge­n“unter Kurz.

Das nährt Befürchtun­gen, Kurz könnte der Wortführer der migrations­kritischen osteuropäi­schen Visegrád-Staaten (Ungarn, Tschechien, Polen, Slowakei) werden. EUExperte Stefan Lehne vom Think- tank Carnegie Europe hält das für ausgeschlo­ssen, weil es ansonsten keine gemeinsame­n Interessen gebe. „Das ist der letzte Klub, dem Österreich beitreten will“, sagt Lehne.

Er glaubt auch nicht, dass Kurz eine Anti-EU-Linie einnehmen wird, sondern eine skeptische proeuropäi­sche Haltung, ähnlich wie die bayerische CSU. „Ich sehe nicht das Problem, dass Österreich Reformen von vornherein sabotiert“, sagte der Experte mit Blick auf die ehrgeizige­n Pläne des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron, die Kurz betont distanzier­t aufgenomme­n hatte.

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