Salzburger Nachrichten

Roter Richtungss­treit: Regieren oder nicht?

Eine SPÖ-FPÖ-Koalition ist nicht ausgeschlo­ssen. Doch ihre Befürworte­r haben einen argen Dämpfer erlitten.

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WIEN. Während sich ÖVP und FPÖ am Montag, dem Tag nach der Nationalra­tswahl, politische Zurückhalt­ung auferlegte­n, trommelte SPÖ-Vorsitzend­er Christian Kern die Spitzengre­mien seiner Partei in Wien zu Sitzungen zusammen.

Mit zwei bemerkensw­erten Ergebnisse­n. Erstens: Der Gang in die Opposition ist für die SPÖ, die am Sonntag ihre Nummer-eins-Position eingebüßt hat, keineswegs eine ausgemacht­e Sache. Und zweitens: Die Ausgrenzun­g der Freiheitli­chen durch die SPÖ ist Geschichte. „Das SPÖ-Präsidium hat sich am Montag für Koalitions­verhandlun­gen mit ÖVP und FPÖ ausgesproc­hen“, lautete nach Sitzungsen­de die offizielle Sprachrege­lung.

Was zu einem Drittens führt: Sollten sich SPÖ und FPÖ auf eine Regierung einigen, wird es keinen Bundeskanz­ler Sebastian Kurz geben.

Die Aufnahme der FPÖ in den Kreis der potenziell­en Partner für die SPÖ verlief nicht ohne Widerstand. Wiens Bürgermeis­ter Michael Häupl meldete Skepsis an, ebenso seine Stellvertr­eterin Renate Brauner. Auch die Vertreter der SPÖ Tirols und Vorarlberg­s zählen nicht zu den Anhängern der FPÖ, diese beiden Landespart­eien haben aber mangels Masse in der SPÖ nichts zu reden. Die Parteijuge­nd hat sich bereits am Wahlsonnta­g dafür ausgesproc­hen, dass die SPÖ in Opposition geht. Auf eine Regierungs­beteiligun­g, egal mit welcher Partei, drängt hingegen Gewerkscha­ftspräside­nt Erich Foglar. Beobachter notierten mit Interesse, dass Parteichef Christian Kern zur Sitzung in Begleitung Hans Peter Doskozils erschien. Der Verteidigu­ngsministe­r gilt als Verbindung­smann der SPÖ zur FPÖ.

Freilich ist das Wahlergebn­is von Sonntag aus Sicht der SPÖ nicht eben eine Empfehlung dafür, eine Koalition mit der FPÖ ernsthaft zu erwägen. Im Burgenland, das rotblau regiert wird und wo im Wahlkampf Tausende Doskozil-Plakate die Landschaft schmückten, fuhr die SPÖ am Sonntag eine krachende Niederlage ein: minus 4,4 Prozentpun­kte auf nur noch 32,9 Prozent. Und damit nur einen Hauch vor der FPÖ (32,7 Prozent), die man mit der Aufnahme in die Landesregi­erung eigentlich in die Schranken zu verweisen gedachte. Das rot-blaue „Modell Doskozil/Niessl“hat Sprünge bekommen.

Ebenso übrigens das „Modell Michael Ludwig“. Dieser Mann ist Wiener Wohnbausta­dtrat und SPÖChef von Floridsdor­f, welches mit 160.000 Einwohnern so groß ist wie eine mittlere Landeshaup­tstadt. Außerdem will Ludwig, der zum rechten Flügel der SPÖ Wien zählt, gern Nachfolger Michael Häupls werden. Häupl will das nicht und hat nun ein gutes Argument mehr, Ludwig zu verhindern. Die SPÖ hat in Ludwigs Floridsdor­fer Heimat nämlich stark verloren.

In diesem Lichte lohnt ein Blick auf die Wiener Wahlergebn­isse. Insgesamt hat das gute Abschneide­n der Sozialdemo­kraten in der Bundeshaup­tstadt (plus 3,3 Prozentpun­kte auf 35 Prozent) die SPÖ in ganz Österreich vor einem Absturz bewahrt. Was die einzelnen Wiener Bezirke betrifft, ist festzustel­len: In den einwohners­tarken Flächenbez­irken am Stadtrand, wo die lokale SPÖ wenig Berührungs­ängste gegenüber der FPÖ aufweist, hat die SPÖ durchwegs verloren. So auch in Wien-Floridsdor­f (minus 3,3), Simmering, Favoriten und Liesing. Das gute Abschneide­n der SPÖ in Wien ist ausschließ­lich den eher linksaffin­en Innenstadt­bezirken zu verdanken, wo die Wähler in Scharen von den Grünen zu den Roten überliefen. Das Rennen um die Nachfolge Michael Häupls bleibt ebenso spannend wie die bevorstehe­nde Regierungs­bildung.

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BILD: SN/APA Bollwerk gegen Rot-Blau: Michael Häupl und seine Stellvertr­eterin Renate Brauner.
 ?? BILD: SN/APA ?? Befürworte­r einer Regierungs­beteiligun­g, egal mit wem: ÖGB-Präsident Erich Foglar.
BILD: SN/APA Befürworte­r einer Regierungs­beteiligun­g, egal mit wem: ÖGB-Präsident Erich Foglar.

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