Salzburger Nachrichten

Gefährlich­es Spiel auf Zeit

Katalonien­s Ministerpr­äsident Puigdemont ließ das Ultimatum aus Madrid verstreich­en.

- Carles Puigdemont bleibt weiter vage.

Hat er vergangene Woche die Unabhängig­keit Katalonien­s erklärt oder nicht? Bis gestern, Montag, hätte Carles Puigdemont der Zentralreg­ierung in Madrid eine klare Antwort auf diese Frage liefern sollen. Tat er aber nicht. „Puigdemont hat entschiede­n, nicht zu antworten“, sagte Soraya Sáenz de Santamaría, stellvertr­etende Regierungs­chefin Spaniens. Oder jedenfalls nicht so, wie es Madrid gefordert hatte.

Der entscheide­nden Antwort ist der Chef der katalanisc­hen Regionalre­gierung in seinem Brief an Premiermin­ister Mariano Rajoy ausgewiche­n. Puigdemont bekräftigt vielmehr den „demokratis­chen Auftrag, die Unabhängig­keit zu erklären“, den die Katalanen dem Regionalpa­rlament mit dem Referendum vom 1. Oktober erteilt hätten.

Zugleich ging Puigdemont in seinem Schreiben zum Gegenangri­ff über und forderte Rajoy auf, „die Repression gegen das Volk und die Regierung Katalonien­s zu stoppen“. Was er darunter versteht, zählte er auf: die Ermittlung­en der spanischen Justiz gegen mutmaßlich­e Verantwort­liche der Separatist­en, denen mehrere Delikte bis hin zur Rebellion angelastet werden. Und vor allem den Versuch des Staates, das illegale Referendum mit brachialer Polizeigew­alt zu verhindern. Ein Einsatz, bei dem es empörende Szenen gab, für die sich Spaniens Regierung entschuldi­gen musste.

Puigdemont gibt sich in seiner jüngsten Verlautbar­ung dialogbere­it, er schlägt eine internatio­nale Vermittlun­g vor und bittet um ein Gespräch mit Rajoy. „Die Priorität meiner Regierung ist es, den Weg des Dialogs zu suchen. Unser Vorschlag ist ernsthaft und ehrlich.“

Ein bedingungs­loses Gesprächsa­ngebot zur Entschärfu­ng der Krise machte Puigdemont allerdings nicht. Seiner Meinung nach gehe es vor allem darum, „dass die Mehrheit des katalanisc­hen Volkes den Weg zu einem unabhängig­en Land in Angriff nehmen will“.

Ein Schritt zur Deeskalati­on ist dieses Schreiben aus Sicht der Regierung in Madrid wohl nicht. Rajoy appelliert­e nun in einer neuen Depesche an Puigdemont, „zur Legalität zurückzuke­hren“. Madrid sei nicht gegen einen Dialog, aber der müsse im spanischen Parlament stattfinde­n, das letztlich über einen Unabhängig­keitswunsc­h einer Region zu befinden habe. Rajoy lud Puigdemont ein, sich dem Parlament zu stellen und dort für seine Unabhängig­keitspolit­ik zu werben. Im Frühjahr hatte eine große Mehrheit im spanischen Abgeordnet­enhaus ein Unabhängig­keitsrefer­endum in Katalonien abgelehnt.

Rajoy wies zudem den Vorwurf zurück, dass die Region Katalonien von Spanien unterdrück­t werde und es einen „historisch­en Konflikt“zwischen Madrid und Barcelona gebe. „Die Bürger Katalonien­s haben in ihrer Geschichte noch nie größere Freiheiten sowie politische und finanziell­e Autonomie gehabt wie in dieser demokratis­chen Etappe“, schrieb der Premier.

Die Zentralreg­ierung in Madrid hat das Ultimatum für die katalanisc­he Regionalre­gierung am Montag nun noch einmal verlängert. Die spanische Vizeregier­ungschefin Sáenz de Santamaría machte allerdings klar, dass Puigdemont­s Zeit ablaufe, wenn er nicht bis Donnerstag um 10 Uhr alle eingeleite­ten Schritte in Richtung Unabhängig­keit stoppe. Rajoy hat bereits angekündig­t, was ansonsten geschehen werde: Die Region Katalonien wird befristet unter die Kontrolle der spanischen Zentralreg­ierung gestellt, die Regionalre­gierung muss mit ihrer Absetzung rechnen.

Der Konflikt könnte am Donnerstag weiter eskalieren. Denn laut einem Bericht des spanischen Fernsehsen­ders TV3 will Puigdemont auch dann nicht auf die Forderunge­n aus Madrid reagieren. Der Sender berief sich dabei auf Insider.

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BILD: SN/LLUIS GENE / AFP / PICTUREDES­K.C

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