Salzburger Nachrichten

Präsident Xi eifert Mao nach

Noch bevor der große Kongress von Chinas allein regierende­r Partei überhaupt begonnen hat, ist klar: Das Land wird wieder kommunisti­scher.

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PEKING. Die Anweisung an sämtliche TV-Sender des Landes war eindeutig: „Es sind verstärkt Produktion­en zur Ausstrahlu­ng zu bringen, die Partei, Vaterland und Volk preisen“, schrieb die staatliche Medienaufs­icht. Sonst drohe ein Entzug der Sendelizen­zen, berichtete ein chinesisch­er Redakteur. Das war im September. Die Wirkung war durchschla­gend. Anfang Oktober lief auf allen Kanälen praktisch ununterbro­chen das Lob der Partei.

Die Propaganda­offensive kam rechtzeiti­g vor dem politische­n Großereign­is des Jahres: Morgen, Mittwoch, beginnt in Peking der Kongress der Kommunisti­schen Partei. Diese richtungsw­eisenden Treffen leistet sich die Organisati­on nur alle fünf Jahre. 2287 Abgesandte­n aus allen Landesteil­en reisen an. „Auf dem Parteitag zeigt sich, welche Konstellat­ionen von Personen künftig an der Spitze stehen“, sagt Willy Lam, Politologe an der Chinese University of Hong Kong.

Zentrale Figur ist unbestritt­en Präsident Xi Jinping. Seit seinem Amtsantrit­t auf dem vorigen Parteitag hat er In- und Ausland überrascht: Xi hat die Macht so rücksichts­los auf seine Person konzentrie­rt wie kaum einer seiner Vorgänger. Er eifert offensicht­lich Mao Zedong nach, Chinas starkem Mann von 1949 bis 1976.

Xi ist als Generalsek­retär der Kommunisti­schen Partei Gastgeber und Drahtziehe­r des Parteitags. Er will den letzten Widerstand gegen seine Herrschaft beseitigen. „Der Parteikong­ress wird Xis uneingesch­ränkte Macht bestätigen“, prophezeit Lam. Schon jetzt dulde der Präsident keinen Widerspruc­h. Seine Kritiker und Rivalen sitzen wegen Korruption­svorwürfen in Haft.

Auf dem Parteitag wird Xi seine getreuen Gefolgsleu­te in Schlüsselp­ositionen unterbring­en. Vor allem will er das Zentralkom­itee und das Politbüro beherrsche­n. Einen Vorgeschma­ck auf seine Ambitionen hat Xi im Juli in Hongkong gegeben. Bei einer großen Truppenpar­ade in der südchinesi­schen Wirtschaft­smetropole hat er sich von Soldaten als „Vorsitzend­er“grüßen lassen – das war Maos Titel. Bisher hatte sich Xi von seinen Militärs als „Befehlshab­er“anreden lassen.

Der Präsident verwirrt mit seiner Taktik zuweilen seine Beobachter. Er spart sich wilde Anfeindung­en gegen Gegner. Stattdesse­n wirkt er stets kontrollie­rt, unaufgereg­t, väterlich. Das trägt zu seiner Popularitä­t bei den einfachen Leuten bei. Xi spricht zudem viel vom Rechtsstaa­t und von der „Verwirklic­hung des chinesisch­en Traums“. Zu seinem Amtsantrit­t vor fünf Jahren hingen daher die Hoffnungen auf Reformen hoch. Doch inzwischen ist klar: Mit Rechtsstaa­t meint Xi die erbarmungs­lose, uneingesch­ränkte Herrschaft der Partei.

Auch wirtschaft­spolitisch sendet Chinas Präsident gemischte Signale. In einer viel beachteten Rede in Davos hat er mit starken Worten ein offenes China versproche­n. Seitdem haben sich Kapitalflü­sse zu anderen Ländern aber eher abgeschwäc­ht. Offene Märkte sollen vor allem dem eigenen Vorteil dienen. Entscheide­nde Deregulier­ungen bleiben aus und Chinas marktwirts­chaftlich orientiert­er Premier Li Keqiang gilt als entmachtet. Wenn er im Amt bleiben darf, dann nur wegen seiner Harmlosigk­eit.

Xi baut auch keinen Nachfolger auf. Genau genommen macht er sogar das Gegenteil. Ein potenziell­er Nachfolger nach dem anderen fällt seinen Säuberungs­kampagnen zum Opfer. Zum Beispiel der 55-jährige Sun Zhengcai, einst ein Hoffnungst­räger der Partei. Mit 43 Jahren wurde Sun Landwirtsc­haftsminis­ter, zuletzt war er Chef der Provinz Chongqing, einer Wirtschaft­smetropole mit hohem Wachstum. Mitte Juli stürmten dann Agenten der Disziplina­rkommissio­n der Partei seine Villa und verhaftete­n ihn und wenig später auch seine Frau: Sun soll korrupt gewesen sein.

Beobachter fürchten mittlerwei­le, dass Xi sich länger als die erlaubten zwei Amtszeiten an der Spitze des Staates einnistet. „Er lässt den Weg bereiten, fünfzehn, wenn nicht zwanzig Jahre die Nummer eins zu bleiben“, sagt Lam. Es könne gut sein, dass der Parteikong­ress Xi zum Mao des 21. Jahrhunder­ts küre.

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BILD: SN/APA/AFP Präsident Xi Jinping.

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