Barock ist die Kunst der Überwältigung
Das Kunsthistorische Museum stellt einen Star vor: Peter Paul Rubens ist das Symbol einer prachtvollen Epoche.
WIEN. Dass Peter Paul Rubens (1577–1640) der Großmeister des Barock war, macht die neue Ausstellung auf den ersten Blick zu einer Irrfahrt der Überreizung. Aber wenn man den gerne als „Schinken“verunglimpften Ölgemälden näherrückt, ziehen sie in Bann. „Die Kunst der Überwältigung“steht nicht umsonst als Motto auf einem der Säle des Kunsthistorischen Museums. Man darf überwältigt sein.
Zu den Schätzen des Kunsthistorischen Museums (KHM) gehören so unterschiedliche Ikonen aus dem Schaffen des Niederländers und Weltmannes wie „das Pelzchen“, wie das Porträt von Helena Fourment genannt wird, oder das Grauen erregende „Haupt der Medusa“, abgesehen von den Jesuitenaltären, welche die Habsburger einst nach Wien verbracht haben. Die RubensBestände aus dem Haus werden ergänzt durch eine Reihe von hochkarätigen Leihgaben, etwa „Das Urteil des Paris“aus dem Prado von Madrid, das Bild „Ecce Homo“aus der Eremitage und der „Prometheus“, den das Philadelphia Museum beisteuerte. Die „Venus Frigida“aus dem Koninklijk Museum vor Schone Kunsten in der Rubensstadt Antwerpen wurde sogar extra für die ab heute, Dienstag, zugängliche, monumentale Schau restauriert – von den Experten in Wien.
Über Versicherungssummen will Sabine Haag, Generaldirektorin des KHM, nicht reden, aber Sponsoren erwiesen sich als hilfreich. Die – dann verkleinerte – Schau wandert an den Koproduzenten Städel Museum in Frankfurt weiter. Der Clou der Ausstellung ist, dass die Wiener Kuratoren Gerlinde Gruber und Stefan Weppelmann, gemeinsam mit Jochen Sander aus Frankfurt, die Werke von Rubens in Zusammenhang mit Vorbildern und Zeitgenossen stellten, die ihrerseits Berühmtheiten sind. Tizian etwa war einer, den Rubens genau studiert hat. In seinen acht Jahren, die Rubens in Italien verbrachte, machte er sich Skizzen von antiken Skulpturen wie der Laokoon-Gruppe, studierte in Venedig Gemälde von Tintoretto und fand sogar bei Michelangelo Körperhaltungen, die ihm brauchbar erschienen. Das haben die Kuratoren wie Detektive „aufgedeckt“.
Ein männlicher Marmor-Torso aus Athen soll sich im dramatisch daliegenden Prometheus von Rubens spiegeln. Das Hinterteil einer kauernden römischen MarmorVenus aus dem 1. Jahrhundert soll sich bei der erwähnten „Venus Frigida“wiederfinden. Wo immer Rubens seine Schönheitsideale herhatte: Die Damen sind durchwegs üppig ausgefallen, was zu einem Markenzeichen wurde. Unter „Rubensfigur“macht sich jeder seine Vorstellungen „barocker“Körper.
Peter Paul Rubens war sowieso ein Phänomen, ein Gelehrter, der viel in Bücher investierte, ein Diplomat an europäischen Höfen, begnadeter Netzwerker und eine „Firma“. Europas Höfe rissen sich um seine Werke. Ein Selbstporträt aus dem Jahr 1638 zeigt einen selbstbewussten Patrizier mit abschätzendem Blick, der einen wohlhabenden Eindruck macht. Rund 3000 Leinwände sollen seine Werkstatt verlassen haben, sagt Stefan Weppelmann, der nur bei Picasso eine vergleichbare Produktivität finden kann. Allerdings teilte sich Rubens mitunter die Arbeit. Beim berühmten „Prometheus“war Rubens als „Gesamtregisseur“und für den Körper des Helden tätig, während Frans Snyders die Natur der Umgebung malte. Bei „Cimon und Efigenia“aus dem KHM war neben Rubens (für die „Hauptdarsteller“) und Snyders (für ein Stillleben mit Affen am rechten unteren Bildrand) auch noch ein Jan Wildens tätig, der die Landschaft hinzufügte zum Gesamtkunstwerk.
Nicht, dass Rubens nichts mit Landschaften zu tun haben wollte. Im Gegenteil: Da ist eine umwerfende „Gewitterlandschaft“mit Philemon und Baucis ausgestellt, die auf zahlreichen Holztafeln gemalt worden ist. Mit allen technischen Untersuchungen und restauratorischen Mitteln wurden die Schäden beseitigt, die Sprünge zwischen den Platten sind nicht mehr zu finden. Es gehört zu den Bildern, die mit der Zeit „gewachsen“sind, ein Verfahren, das Rubens gerne anwandte. Auch auf solche Geheimnisse wird man in der Schau hingewiesen.
Käme heutzutage ein Rubens auf den Markt, sollte man wohlhabend sein. 2002 wurde „Das Massaker der Unschuldigen“bei Sotheby’s um 77,3 Millionen Euro verkauft. 48 Rubens-Gemälde und 33 RubensZeichnungen sind nun Teil der 120 Exponate umfassenden Schau. Ausstellung: