Salzburger Nachrichten

Qualen können Täter erzeugen

Alban Bergs „Wozzeck“in Diätfassun­g im Theater an der Wien.

- „Wozzeck“von Alban Berg. Theater an der Wien, 17., 19. , 21., 23. und 27. Oktober.

WIEN. Dass im Theater an der Wien in der aktuellen Saison lauter groß gedachte Opern aufgeführt werden, führt zur Situation, dass die Werke den Dimensione­n „angepasst“werden. Alban Bergs „Wozzeck“hat normalerwe­ise ein großes Orchester, also hat man eine abgespeckt­e Fassung des deutschen Komponiste­n Eberhard Kloke gewählt. Das allerdings hat auf die Lautstärke wenig Einfluss, wie am Sonntag bei der Premiere zu hören war. Dirigent Leo Hussain lässt die Wiener Symphonike­r auch in der reduzierte­n Tonwelt einen mächtigen Vollklang entwickeln für dramatisch­e Ausbrüche, die zarten lyrischen Passagen bleiben ohnehin erhalten, Einbußen gibt es keine zu beklagen.

Wer von der Bilderflut des William Kentridge überrollt worden ist, der den „Wozzeck“bei den Salzburger Festspiele­n mit seiner animierten Kunst ausgestatt­et hatte, hat nun eine optische Diät vor sich, denn Ausstatter Gideon Davey steckt das Geschehen quasi in einen Tarnanzug. Militärisc­h grün-grau gemusterte Wände laufen nach hinten zu, Vorhänge verkleiner­n Räume, die Menschen sind fast alle Militärper­sonal. Das wären der Hauptmann und der Soldat Wozzeck ohnehin, aber auch der Doktor ist Militärarz­t von einem Zuschnitt, wie man sich einen Mengele vorstellt. In diesem Kasernenho­f herrscht Brutalität, Wozzeck verdient sich mühsam Kleingeld, um es Marie zu geben. Mit der lebenshung­rigen Drogensüch­tigen hat er ein Kind.

Die Kameraden sind auch eher harte Burschen, selbst Freund Andres steht Wozzeck nicht bei, als er vom Tambourmaj­or verprügelt wird, der Marie in einem schwachen Moment ins Bett gezogen hat. Einmal steht Wozzeck kurz still vor dem Vorhang: Florian Boesch erweckt für einen Augenblick Mitleid in seiner Qual zwischen Tränen, Verzweiflu­ng und ohnmächtig­er Wut. Nun ist Florian Boesch ein Kraftlackl, auch in seinem Dauerforte, er beherrscht diesen halbirren Blick, man traut ihm alles zu – und er zieht Marie auch kaltblütig das Messer durch den Hals.

Regisseur Robert Carsen hat das Drama unsentimen­tal und sachlich inszeniert – nur das arme Büblein, das zum Vollwaisen geworden auf seinem Gewehr reitend sein „Hopp Hopp“singt, rührt wie immer. Lise Lindstrom ist eine unterkühlt­e Marie, der Tenor John Daszak ist ein arroganter Hauptmann, Stefan Cerny macht aus dem Doktor eine wunderbare Studie mit markantem Bass, alle kleineren Rollen wie Tambourmaj­or (Aleš Briscein) sind bestens besetzt. Auch der Arnold Schoenberg Chor ist wiederum große Klasse. Oper:

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BILD: SN/TAW/WERNER KMETITSCH Wozzeck (Florian Boesch) und Marie (Lise Lindstrom).

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