Qualen können Täter erzeugen
Alban Bergs „Wozzeck“in Diätfassung im Theater an der Wien.
WIEN. Dass im Theater an der Wien in der aktuellen Saison lauter groß gedachte Opern aufgeführt werden, führt zur Situation, dass die Werke den Dimensionen „angepasst“werden. Alban Bergs „Wozzeck“hat normalerweise ein großes Orchester, also hat man eine abgespeckte Fassung des deutschen Komponisten Eberhard Kloke gewählt. Das allerdings hat auf die Lautstärke wenig Einfluss, wie am Sonntag bei der Premiere zu hören war. Dirigent Leo Hussain lässt die Wiener Symphoniker auch in der reduzierten Tonwelt einen mächtigen Vollklang entwickeln für dramatische Ausbrüche, die zarten lyrischen Passagen bleiben ohnehin erhalten, Einbußen gibt es keine zu beklagen.
Wer von der Bilderflut des William Kentridge überrollt worden ist, der den „Wozzeck“bei den Salzburger Festspielen mit seiner animierten Kunst ausgestattet hatte, hat nun eine optische Diät vor sich, denn Ausstatter Gideon Davey steckt das Geschehen quasi in einen Tarnanzug. Militärisch grün-grau gemusterte Wände laufen nach hinten zu, Vorhänge verkleinern Räume, die Menschen sind fast alle Militärpersonal. Das wären der Hauptmann und der Soldat Wozzeck ohnehin, aber auch der Doktor ist Militärarzt von einem Zuschnitt, wie man sich einen Mengele vorstellt. In diesem Kasernenhof herrscht Brutalität, Wozzeck verdient sich mühsam Kleingeld, um es Marie zu geben. Mit der lebenshungrigen Drogensüchtigen hat er ein Kind.
Die Kameraden sind auch eher harte Burschen, selbst Freund Andres steht Wozzeck nicht bei, als er vom Tambourmajor verprügelt wird, der Marie in einem schwachen Moment ins Bett gezogen hat. Einmal steht Wozzeck kurz still vor dem Vorhang: Florian Boesch erweckt für einen Augenblick Mitleid in seiner Qual zwischen Tränen, Verzweiflung und ohnmächtiger Wut. Nun ist Florian Boesch ein Kraftlackl, auch in seinem Dauerforte, er beherrscht diesen halbirren Blick, man traut ihm alles zu – und er zieht Marie auch kaltblütig das Messer durch den Hals.
Regisseur Robert Carsen hat das Drama unsentimental und sachlich inszeniert – nur das arme Büblein, das zum Vollwaisen geworden auf seinem Gewehr reitend sein „Hopp Hopp“singt, rührt wie immer. Lise Lindstrom ist eine unterkühlte Marie, der Tenor John Daszak ist ein arroganter Hauptmann, Stefan Cerny macht aus dem Doktor eine wunderbare Studie mit markantem Bass, alle kleineren Rollen wie Tambourmajor (Aleš Briscein) sind bestens besetzt. Auch der Arnold Schoenberg Chor ist wiederum große Klasse. Oper: