Salzburger Nachrichten

Sieben Auswege aus der Populismus­falle

Was lernen wir aus der politische­n und gesellscha­ftlichen Entwicklun­g? Es ist Zeit für den konstrukti­ven Dialog.

- MANFRED.PERTERER@SN.AT Manfred Perterer

Viele Wege führen nach Rom

Extreme Populisten auf der rechten wie auf der linken Seite des politische­n Spektrums verbindet eines: ihr Absoluthei­tsanspruch. Sie betrachten ihre Lehre als die einzig gültige. Alle anderen Überlegung­en haben in dieser Gedankenwe­lt keinen Platz und werden als falsch, wenn nicht gar gefährlich angesehen.

Wir können Tendenzen hin zum extremen Populismus in den verschiede­nen politische­n Parteien beobachten. Der Weg zum Glück führt ausschließ­lich in die eine oder andere Richtung. Umwege, auch kleine Abzweigung­en sind in dieser verengten Sicht der Gesellscha­ft nicht mehr vorgesehen.

Die Polarisier­ung der Gesellscha­ft wird durch die abnehmende Dialogfähi­gkeit der politische­n Parteien vorgelebt. Alles, was von einem selbst kommt, ist gut. Alles, was von anderen kommt, ist schlecht. Wer nicht für mich ist, ist gegen mich.

Das Wesen der Demokratie, nämlich der offene Diskurs mit dem Ziel, ein für möglichst viele Menschen tragbares Ergebnis zu erreichen, gerät in den Hintergrun­d. Die Akzeptanz anderer Lebensentw­ürfe ist kein hohes Gut mehr. Die Toleranz geht den Bach runter.

Gut beobachten lässt sich das im digitalen Leben. Ausgeklüge­lte Algorithme­n sorgen dafür, dass wir uns in den sozialen Medien nur noch unter Gleichgesi­nnten bewegen. Andere Meinungen tauchen auf der Timeline nicht mehr auf. Man fühlt sich wohl unter seinesglei­chen und muss sich nicht mit fremden Gedanken herumschla­gen.

Das führt zu einer Verengung der Weltsicht. Zur Vorstellun­g, dass sich das Leben tatsächlic­h in Schwarz und Weiß einteilen lässt. Menschen, die in einer solchen Umgebung abwägen, einerseits und anderersei­ts sagen, haben es schwer. Sowohl-als-auch-Denker gelten als unentschlo­ssen und entscheidu­ngsschwach. Es regiert Entweder-oder.

In der Praxis führt diese Entwicklun­g zu einer Verarmung unserer demokratis­chen Lebensweis­e. Das hat handfeste Auswirkung­en. Bewährte Bindungen werden gekappt, zu Vereinen, Familien, Kirchen, Marken, Medien, wenn einer nur einmal eine Haltung einnimmt, die mit der meinen nicht übereinsti­mmt. Wir sind auf dem besten Weg zum Meinungs-Fundamenta­lismus.

Wie kommen wir aus dieser Falle wieder heraus?

1. Anerkennen, dass viele Wege nach Rom führen. Die politische­n Parteien müssen zurück zum fairen Wettbewerb der Ideen. Die besten Lösungen entstehen meistens dadurch, dass verschiede­ne Ansätze zu einem neuen zusammenge­fügt werden. Das erfordert von allen Beteiligte­n ein hohes Maß an Toleranz und Einsicht, dass man die Weisheit nicht gepachtet hat.

2. Bereitscha­ft zum Dialog. Vor allem im Wahlkampf haben die Spitzenkan­didaten nicht miteinande­r gesprochen, sondern aneinander vorbeigere­det.

3. Leben und leben lassen. Wir müssen weg vom krampfhaft­en Festhalten an einer Doktrin. Auch andere haben gute Vorstellun­gen vom Leben.

4. Wir müssen uns von der Vorstellun­g trennen, einmal nachzugebe­n sei gleichbede­utend mit einem Gesichtsve­rlust. Dazu gehört auch Kritikfähi­gkeit. In der Politik ist sie abhandenge­kommen. Nur keinen Fehler zugeben. Immer recht behalten. So lang interpreti­eren, bis aus wahr falsch wird oder umgekehrt.

5. Die konstrukti­ve Auseinande­rsetzung mit anderen Meinungen ist mühsam, sie ist aber das Wesen der Demokratie.

6. Kompromiss­e sind nicht von vornherein schlecht. Durch die falsche Interpreta­tion der Sozialpart­nerschaft hat das Ringen um gemeinsame Lösungen den Beigeschma­ck der Packelei bekommen. Das liegt vor allem daran, dass diese Gespräche noch immer hinter verschloss­enen Türen, also nicht transparen­t geführt werden.

7. Den Blick für das Wesentlich­e nicht verlieren. Unsere Sorgen sind wichtig. Aber wir müssen sie wieder richtig einordnen. Dazu ist es manchmal gut, wenn wir uns auf der Welt umsehen und unseren Blick dorthin richten, wogegen unsere Probleme verblassen.

Wir alle tappen immer wieder in die Populismus­falle. Es ist Zeit, sie zu deaktivier­en.

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WWW.SN.AT/WIZANY (Irr-)Wege . . .

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