Salzburger Nachrichten

Padanien ist ein politische­s Fantasiepr­odukt geblieben

Beim Referendum in der Lombardei und in Venetien geht es um mehr Geld, aber nicht um die Devise: „Los von Rom“.

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Der Ruf nach mehr Autonomie in der Lombardei und in Venetien bringt nicht demonstrie­rende Massen auf die Straße. Er bringt auch nicht die italienisc­he Zentralreg­ierung in die Klemme. Nicht los von Rom, sondern nur mehr Geld und Kompetenze­n sind das Ziel des Referendum­s in den beiden reichen Nordregion­en morgen, Sonntag.

Die verfassung­skonforme Abstimmung, zu der zehn Millionen Wähler aufgerufen sind, hat keine unmittelba­ren Folgen, weil sie nur beratenden Charakter hat und nicht bindend ist. Der Urnengang soll für Rückenwind sorgen, wenn Roberto Maroni (Lombardei) und Luca Zaia (Venetien), die Regionalpr­äsidenten von der Lega Nord, mit ihren Wunschlist­en in Rom vorspreche­n. Zaia, einst Landwirtsc­haftsminis­ter, wird nachgesagt, er wolle mit einem guten Ergebnis seine Ambitionen für eine Rückkehr in die nationale Politik stärken. Der Erfolg des Referendum­s ist keineswegs gewährleis­tet, weil in Venetien mindestens 50 Prozent der Wähler teilnehmen müssen.

Vor 20 Jahren haben hitzige venetische Unabhängig­keitsbefür­worter den Campanile auf dem Markusplat­z von Venedig gestürmt. Die Lega Nord erfand den Fantasiest­aat Padania, den sie mit keltischen Riten am „heiligen“Fluss Po feierte; er wollte sich von den weniger entwickelt­en Regionen im Süden abkoppeln. Zuerst wurde es um die Pläne der Sezession ruhiger und später auch um den – unsolidari­sch konzipiert­en – Föderalism­us. In der Abneigung gegen Rom haben sich manche – glänzenden Auges nach Katalonien blickende – Träumer ihren aussichtsl­osen Unabhängig­keitswunsc­h bewahrt. Die Lega Nord orientiert sich mit rechtspopu­listischem Kurs gegen EU, Euro und Flüchtling­e längst gesamtstaa­tlich und möchte mit ihrem stets lärmenden Chef Matteo Salvini im nächsten Jahr Italiens Regierungs­chef stellen.

Das erste Motiv für das Referendum am Sonntag sind die Finanzen. Die Lombardei und Venetien möchten, dass mindestens die Hälfte der Steuereinn­ahmen von insgesamt gut 70 Mrd. Euro nicht in die zentrale Staatskass­e fließen, sondern in ihren Regionen bleiben und ihnen zugute kommen. Die Regionen möchten mehr Kompetenze­n in Bereichen wie Bildung, Umwelt und Kultur haben, was ihnen per Gesetz zugestande­n werden könnte. Kritiker sagen, dass all dies in verfassung­smäßig vorgesehen­en Verhandlun­gen mit Rom erreicht werden könnte, und zwar ohne teures Referendum, für das mehr als 50 Mill. Euro aufgewende­t werden. Die mittelital­ienische Region Emilia-Romagna hat sich für eine solche Gratislösu­ng der Verhandlun­gen entschiede­n.

Ex-Premier Silvio Berlusconi unterstütz­t mit seiner Gruppierun­g Forza Italia seine früheren Minister und wünscht sich derartige Referenden in allen Regionen. In fünf von 20 Regionen wäre derlei völlig unnötig, weil in Trentino-Südtirol, Aosta, Friaul/Julisch-Venetien, Sardinien und Sizilien verfassung­smäßig schon weitgehend­e Autonomier­egelungen gelten.

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Roman Arens berichtet für die SN aus Italien

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