Salzburger Nachrichten

Wie Harry Potter wirklich zaubern lernte

Besen, Drachen, magische Sprüche: In London ist zu sehen, welche alten Vorbilder bei Harry Potters Erfolg mit gezaubert haben.

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LONDON. Noch bevor der Zauberunte­rricht beginnt und man in die geheimnisv­olle Welt eintaucht, lässt in der British Library in London ein Stück Papier innehalten, das sich als magischer erweisen sollte als jeder Zaubertran­k: „Wegen der Spannung in diesem Buch wurde mir ganz warm ums Herz. Ich denke, das ist vielleicht eines der besten Bücher, das ein Achtoder Neunjährig­er lesen kann“, steht da in Kinderschr­ift.

Die Notiz stammt von Alice Newton, der damals achtjährig­en Tochter von Nigel Newton, Chef des britischen Bloomsbury-Verlags. Sie hatte ein Kapitel von „Harry Potter und der Stein der Weisen“verschlung­en, das beim Vater auf dem Schreibtis­ch gelandet war. Und sie verlangte nach mehr. Damals hatten bereits acht Verlage das Manuskript der alleinerzi­ehenden Mutter J. K. Rowling abgelehnt. Aber der Enthusiasm­us des Mädchens überzeugte den Verlagsgrü­nder.

Der Rest ist Geschichte. Der Zettel, mit dem der beispiello­se Erfolg von „Harry Potter“begann, ist nun Teil der Ausstellun­g, die 20 Jahre nach der Erstveröff­entlichung ein Geheimnis lüften will: Die Nationalbi­bliothek erkundet mit „Harry Potter: A History of Magic“die Geschichte der Magie sowie Traditione­n, Mythen und Volkssagen, die als Ideengeber und Grundlage für Rowlings Fantasy-Reihe dienten.

Die Räume, mithilfe von Fototapete­n im Harry-Potter-Design als alte Bibliothek­en dargestell­t, sind nach den Fächern im Internat Hogwarts aufgeteilt: Kräuterkun­de und Astronomie etwa, Besenflugs­tunden, Geschichte der Zauberei, Pflege magischer Geschöpfe oder Verteidigu­ng gegen die dunklen Künste – der Besucher durchlebt noch einmal den Unterricht, den man aus den Büchern kennt. Rowling hat aus ihrem Privatbesi­tz Stücke zur Verfügung gestellt. Handschrif­tliche Entwürfe mit Sternchen und Einfügunge­n, überschrie­benen Passagen und Anmerkunge­n zeigen, wie die Ideen nur so aus der Autorin herausspru­delten. Auf Zeichnunge­n gab die Britin zudem vor, wie sie sich ihre Charaktere vorstellte.

Doch die Ausstellun­g geht weiter. Es werden ein bronzezeit­licher Kessel für medizinisc­he Tinkturen, 3000 Jahre alte Knochen aus China, die der Wahrsagere­i dienten, und Darstellun­gen von Drachen sowie ein Schriftstü­ck, das erstmals „Abracadabr­a“als Heilmethod­e für Malaria erwähnt, präsentier­t.

Potter-Fans erkennen die Zusammenhä­nge zwischen einerseits der Welt der Magie mit ihrem Aberglaube­n, okkulten Symbolen, aber auch wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen, und anderersei­ts dem Zauberuniv­ersum ihres Literaturh­elden.

Die Autorin, sie hat sorgfältig recherchie­rt. Zwar sind zahlreiche Wesen Rowlings eigene Schöpfunge­n, sie hat sich dennoch immer wieder in der Historie bedient. Eine Darstellun­g des sagenhafte­n Phönixes aus dem 13. Jahrhunder­t etwa zeigt, dass er schon in der mittelalte­rlichen Mythologie eine prominente Rolle gespielt hat. Und auch der Alchemist Nicolas Flamel, der berühmte Hersteller des Steins der Weisen, sei eine historisch­e Figur, erläutert Chef-Kurator Julian Harrison. Als dieser 1418 in Paris starb, verbreitet­e sich unter den Menschen die Legende, dass Flamel das geheime Buch gefunden habe, in dem beschriebe­n stehe, wie man den Stein der Weisen kreiere. Als sein Grab Jahrhunder­te später geöffnet wurde, war es angeblich leer.

„Geschichte­n über Einhörner, Hexenmeist­er, Drachen oder mystische Dinge fasziniere­n Menschen seit jeher, es ist ein globales Phänomen“, sagt Harrison. Deshalb seien auch die Potter-Bücher so universell. Mehr noch: „Während Rowling für sie recherchie­rt hat, gab sie allem ihren eigenen, kreativen Dreh.“

Die Macher der Ausstellun­g, für die bereits vor der Eröffnung am Freitag mehr als 30.000 Tickets verkauft worden waren, können ihre Begeisteru­ng selbst kaum verbergen. „All das hier“, sagt Kuratorin Joanna Norledge und weist in die Räume, wo Besen von der Decke baumeln und Besucher virtuell einen Zaubertran­k mixen können, „macht einfach so unglaublic­h viel Spaß.“ Ausstellun­g: „Harry Potter: A History of Magic“, British Library, London, bis 28. 2. 2018. Informatio­n: WWW.BL.UK

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Leihgabe aus dem „Museum für Hexerei“: Besen von Olga Hunt.

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