Harvey Weinstein und das Brüllen der Lämmer
Männern wird es leicht gemacht, ihren Platz zu finden in der Grauzone zwischen „kontaktfreudig“und „aufdringlich“.
Leni schmeißt sich unsittlich an mich, reibt an meinen Beinen. Leni hat nicht gefragt, aber gespürt, dass ich mich nicht wehren werde. Ich habe Angst vor Leni. Und wenn einer Angst hat, ist’s für das Gegenüber einfach, Macht auszuspielen. Wie sich Leni da so ranschmeißt, fällt mir Harvey Weinstein ein. Das ist der erfolgreiche Filmproduzent, der jetzt kein Filmproduzent mehr ist, der gar nichts mehr ist außer Bösewicht. Einer sagte, Weinstein sei ein „Monster“. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Weinstein wegen Verdachts auf Vergewaltigung, sexueller Belästigung. Es geht um Machtmissbrauch und Einschüchterungen über viele Jahre, in denen Weinstein die Besetzungscouch zur Touchzone machte. Jetzt wollen das alle eh immer schon gewusst haben. Und wenn eh immer alle schon alles gewusst haben, dann ist das der Moment, in dem das Schweigen und das Brüllen gleichzeitig stutzig machen müssen. Das Mitmachen im „Eh immer schon immer gewusst“Chor ist Ausdruck von schrecklichem Opportunismus.
Und da sind nicht mehr viele in Hollywood, die noch keinen Kommentar zu Weinstein abgegeben haben. Und wenn einer wie Regisseur Oliver Stone dieser Tage sagt, er wolle warten, was die Gerichte sagten, wird das fast als Sensation gewertet. Verstehen Sie mich nicht falsch: Nichts an dem, was Weinstein und andere Mächtige in solchen Positionen an Erniedrigung und Missbrauch verüben, ist zu verteidigen. Doch die rasende Verdammung ist um nichts besser als die bedingungslose Verehrung, mit der viele Weinstein zuvor zu Füßen lagen. Die, die Weinstein eben noch für einen der Größten Hollywoods hielten, schreien ihm nun in den Abgrund ihre Verwün- schungen nach. Aufgefallen ist da unter anderem Angelina Jolie. Sie habe – wie auch viele andere – seit Jahren gewusst, was los sei. Den Mund hat sie aber nicht aufgemacht. Aber was hätte sie, die Gutfrau der Branche, das Role Model für die Vermählung von Startum und Nächstenliebe, die Millionärin und Celebrity-Queen, denn zu fürchten gehabt? Nichts – erst recht nicht, weil es doch eh alle gewusst haben, und dann schwiegen, anstatt Schluss zu machen.
Ich mache jetzt mit Leni Schluss. Als Leni meinen Abwehrversuchen zum Trotz keine Ruhe gibt, sage ich zu Lenis Herrin: „Die ist sehr kontaktfreudig.“„Man könnte auch aufdringlich sagen“, antwortet die Leni-Herrin. Sie spiele gern, aber wenn man zu einem Hund Schluss sage, verstehe der halt auch, dass Schluss sei.