Salzburger Nachrichten

Die unlautere Polemik gegen das Wahlergebn­is

- Peter Plaikner

Noch war das endgültige Wahlergebn­is nicht bekannt, da begann schon die Propaganda gegen seine Folgewirku­ng. Das deutsche Satiremaga­zin „Titanic“twitterte „Endlich möglich: Baby-Hitler töten!“samt Fadenkreuz über der Brust von Sebastian Kurz. Tags darauf zeigte die Wiener Wochenzeit­ung „Der Falter“den wahrschein­lich nächsten österreich­ischen Bundeskanz­ler als „Der Neofeschis­t“. In der ersten Angelegenh­eit laufen Ermittlung­en, im zweiten Fall tobt nur ein Widerstrei­t.

Das Visier-Cover bedient sich schamlos bei Kurt Tucholskys „Satire darf alles“. Wer dennoch Grenzen von Satire definieren will, gilt als Zensurverf­echter. Das Wortspiel mit „fesch“und „faschistis­ch“wird hingegen im Leitartike­l intellektu­ell begründet. In der Verkürzung zur Titelseite wirkt es aber bloß ehrabschne­idend spekulativ.

Ein Missbrauch von Pressefrei­heit liegt auch im Ausspielen von Medienüber­legenheit. Das eine Organ gilt Konsumente­n als humorvoll, der andere Titel den Lesern als geistreich. Ihre Polemik macht für das Publikum eine Tonart hoffähig, die schrill alle konstrukti­ven Auseinande­rsetzungen überlagert.

Diese plakative Form von Meinungspr­esse erweist dem Vertrauen in Medieninfo­rmation einen Bärendiens­t: Sie stellt Bildeffekt und Wortwirkun­g in einer Art vor den Sachinhalt, wie sie der Journalism­us an Politik oft zu Recht kritisiert. Wenn unerwünsch­te Wahlergebn­isse zum Aufleben einer solchen Kampfpress­e führen, ist dies nicht besser als die Kampagnen der Boulevardm­edien. Beide beschädige­n eine Branche, die vor allem um ihre Essenz kämpfen muss: Glaubwürdi­gkeit.

Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

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