Die unlautere Polemik gegen das Wahlergebnis
Noch war das endgültige Wahlergebnis nicht bekannt, da begann schon die Propaganda gegen seine Folgewirkung. Das deutsche Satiremagazin „Titanic“twitterte „Endlich möglich: Baby-Hitler töten!“samt Fadenkreuz über der Brust von Sebastian Kurz. Tags darauf zeigte die Wiener Wochenzeitung „Der Falter“den wahrscheinlich nächsten österreichischen Bundeskanzler als „Der Neofeschist“. In der ersten Angelegenheit laufen Ermittlungen, im zweiten Fall tobt nur ein Widerstreit.
Das Visier-Cover bedient sich schamlos bei Kurt Tucholskys „Satire darf alles“. Wer dennoch Grenzen von Satire definieren will, gilt als Zensurverfechter. Das Wortspiel mit „fesch“und „faschistisch“wird hingegen im Leitartikel intellektuell begründet. In der Verkürzung zur Titelseite wirkt es aber bloß ehrabschneidend spekulativ.
Ein Missbrauch von Pressefreiheit liegt auch im Ausspielen von Medienüberlegenheit. Das eine Organ gilt Konsumenten als humorvoll, der andere Titel den Lesern als geistreich. Ihre Polemik macht für das Publikum eine Tonart hoffähig, die schrill alle konstruktiven Auseinandersetzungen überlagert.
Diese plakative Form von Meinungspresse erweist dem Vertrauen in Medieninformation einen Bärendienst: Sie stellt Bildeffekt und Wortwirkung in einer Art vor den Sachinhalt, wie sie der Journalismus an Politik oft zu Recht kritisiert. Wenn unerwünschte Wahlergebnisse zum Aufleben einer solchen Kampfpresse führen, ist dies nicht besser als die Kampagnen der Boulevardmedien. Beide beschädigen eine Branche, die vor allem um ihre Essenz kämpfen muss: Glaubwürdigkeit.
Peter Plaikner ist Politikanalyst und Medienberater mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.