Schnell geliefert, statt selbst gekocht
Der Markt der Essenszustellung wächst um gigantische 50 Prozent. Da fahren die Chefs auch selbst die Pizza aus, um mehr zu erfahren.
SALZBURG. Beim Online-Essenslieferdienst Mjam liefert der Geschäftsführer selbst regelmäßig Pizzen, Burger und immer öfter BioGerichte aus. „Weil ich dann auch besser beurteilen kann, ob etwas funktioniert oder nicht“, sagt Michael Hagenau. Dabei überrascht den Chief Executive Officer bisher am meisten, wie viel Trinkgeld er bekommt.
Mit kleinen Trinkgeldbeträgen muss sich seine Branche allerdings nicht abspeisen lassen. Unter dem klingenden Titel „Home Meal Replacement“hat dieser Sektor Wachstumsraten zu verzeichnen, von denen andere nur träumen können. Im Vorjahr stieg der Umsatz mit der Zustellung und Abholung von fertigen Speisen in der Gastronomie in Österreich um nahezu 50 Prozent (49,5 Prozent). Insgesamt wurden 2016 mit GastroLieferdiensten und abgeholten Speisen hierzulande 930 Millionen Euro umgesetzt. Und laut dem Branchenradar von Kreutzer Fischer & Partner entspricht dies beinahe dem Niveau des gesamten Fast-Food-Markts. Der durchschnittliche Österreicher bestellt zwei bis drei Mal pro Monat bei Essenszustellern, die Kunden im Mittleren Osten tun es zwölf Mal.
Mjam gehört zur deutschen Delivery-Hero-Gruppe, die seit Juni an der Börse notiert. Am ersten Handelstag lag die Aktie bei 26,90 Euro, gestern, Freitag, bei 35 Euro. Das Unternehmen, das 2011 als Start-up gegründet wurde – da war Mjam schon drei Jahre alt – bietet unter verschiedenen Markennamen weltweit Internet-Plattformen für Essenslieferdienste an.
Brancheninsider schätzen den Umsatz der Österreich-Tochter Mjam für 2016 auf rund acht Millionen Euro. Damit wäre Mjam Marktführer in Österreich, der Lieferservice hat selbst 6,6 Millionen Euro berichtet.
Die Einnahmen an der Börse sollen das rasante Wachstum auch in Österreich garantieren. Derzeit arbeitet Mjam mit 1500 Restaurants in mehr als 160 Städten in Österreich zusammen. „Investiert wird in Restaurants“, erklärt Hagenau. Denn hier müsse man in Vorleistung gehen und den Partnern die Technologie zur Verfügung stellen. Zudem wird die Technologie ständig verbessert. So bekommen Restaurants nach und nach neue Terminals, mittels derer die Kunden informiert werden können, ob ihr Fahrer schon mit dem Essen unterwegs ist und wann er kommt. Denn den Kunden ist bei Essenszustellern die Qualität des Essens, die Transparenz – wann kommt das Essen – und die Verlässlichkeit wichtiger als die Schnelligkeit. Weitere Investitionen gehen ins Marketing. „Wir investieren jeden Monat einen mittleren sechsstelligen Betrag in den Markt“, sagt Hagenau.
Zustell-Plattformen wie Mjam sind stets auf der Suche nach neuen Restaurants. Die meisten der Partner-Restaurants bei Mjam haben eigene Fahrdienste. Aber vor allem die Qualitätsgastronomie hat diesen Service nicht. „Man muss hier lang mit ihnen reden, um sie zu überzeugen, einen eigenen Lieferdienst aufzustellen“, sagt Hagenau. In Wien arbeitet Mjam mit dem Schwester-Unternehmen Foodora zusammen. Der Kunde bestellt bei bekannten und höherwertigen Restaurants über Mjam, Foodora liefert aus (Mjam Gourmet). Man versuche, mehr Bio- oder Hipster-FoodAnbieter zu bekommen, sagt Hagenau. Auch ökologisch abbaubare Verpackungen würden immer mehr ein Thema. Eigene Öko-Labels sind in Planung. Doch der Standard-Geschmack der Kunden sieht noch anders aus: Am beliebtesten sind Pizzen, Burger und asiatische Gerichte.
Für die Restaurants bringen solche Plattformen, die, vereinfacht gesagt, Kunden und Restaurants vernetzen und Restaurants die Möglichkeit geben, sich zu präsentieren, mehr Umsatz. Für die Plattform-Dienste zahlen die Partnerbetriebe Provisionen. Bei Mjam sind es je nach Lage zwischen 12 und 15 Prozent. Die Kunden wiederum können sich über ein Bewertungssystem informieren.
Trotz Boom, Börsenotierung und Einnahmen von Hunderten Millionen Euro verdienen Essenslieferdienste wie Delivery Hero noch kein Geld. Bei der Mjam-Mutter, die heuer im ersten Halbjahr 246,5 Millionen Euro (plus 66 Prozent) eingenommen hat, soll es 2019 erstmals so weit sein. Mjam-Chef Hagenau betont, dass man in Österreich freie Hand habe. „Unser Chef weiß, dass er nicht weiß, was in Wien auf der Straße los ist.“– Oder in Salzburg. Hier hat Mjam seit Jänner den Umsatz verdoppelt, 50 Restaurants sind Partner. Die Aktion „Bestellen um fünf Euro“im Monat Oktober soll zusätzliche Kunden bringen.
„Wir versuchen, mehr Bio- und Hipster-Gerichte anzubieten.“Michael Hagenau, Geschäftsführer