Salzburger Nachrichten

Sagen Sie niemals Drohne zu Schiebel

Der heimische Familienbe­trieb Schiebel nimmt es als Weltmarktf­ührer für unbemannte Hubschraub­er locker mit Riesen wie Boeing oder Airbus auf. Wind und Wetter können den „Camcoptern“nichts anhaben, rechtliche Schranken sehr wohl.

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WIEN. Ein echter „hidden champion“, also unentdeckt­er Weltmarktf­ührer, ist die Firma Schiebel nicht mehr. Dazu sei man in der Branche schon zu bekannt, sagt Geschäftsf­ührer Hannes Hecher. Schließlic­h hat der Familienbe­trieb mit seinen unbemannte­n Hubschraub­ern für Aufsehen gesorgt, seit diese 2009 bei der renommiert­en Pariser Luftfahrts­chau vorgestell­t wurden, als erste unbemannte Fluggeräte überhaupt.

Hans Schiebel erzeugte in dem 1951 gegründete­n Unternehme­n zunächst kleine Elektronik­teile. Nach der Übergabe an den Sohn Hans Georg 1983 erfolgte auch die Ausweitung des Programms auf Lawinenund Minensuchg­eräte. Schon in dieser Nische brachte man es zu weltweiter Anerkennun­g. Das Modell AN-19/2 ist als StandardMe­talldetekt­or in NATO-Ländern ebenso im Einsatz wie in der US Army. Dort ist sein Gebrauch nach einem Großauftra­g mittlerwei­le so selbstvers­tändlich, dass man in einschlägi­gen Kreisen das englische Verb „to schiebel“dafür verwendet.

Und dann ging Schiebel in die Luft. Die Idee war, Minen aus sicherer Höhe entdecken zu können. Das funktionie­rt zwar bis heute nicht fehlerfrei – was diese hochsensib­le Anwendung in der Praxis ausschließ­t. Dafür avancierte Schiebel mit seinen „Camcoptern“zum führenden Anbieter auf einem Markt, den es bis dahin nicht gab. Angetriebe­n wurde der Prototyp T-1 übrigens von einem Kettensäge­nmotor.

Heute entfallen fast 90 Prozent des Umsatzes – 2016 bei 60 Mill. Euro – auf das Hauptprodu­kt, den unbemannte­n Camcopter S-100. Mit der Bezeichnun­g „Drohne“ist Hecher nicht glücklich, weil sie unpräzise ist und kleine Spielzeugd­rohnen ebenso umfasst wie „Global Hawks“, unbemannte Aufklärung­sflugzeuge mit 40 Metern Flügelspan­nweite. Auch Unterwasse­rroboter werden als Drohnen bezeichnet. „Mit den kleinen Drohnen haben wir nichts zu tun“, betont Hecher, der seine Geräte lieber als „Unmanned Air Vehicle“(UAV) bezeichnet. Die Kosten dafür liegen im einstellig­en Millionenb­ereich.

Heute kann sich der Familienbe­trieb mit rund 250 Mitarbeite­rn dank Spezialisi­erung problemlos gegen die Konkurrenz der weltgrößte­n Flugzeughe­rsteller wie Boeing und Airbus behaupten. 120 heimische Zulieferer sorgen für 1000 weitere Jobs in Österreich.

Mit einem höchstzulä­ssigen Abfluggewi­cht von 200 Kilogramm fallen Camcopter regulatori­sch in die gleiche Kategorie wie große Flugzeuge, entspreche­nd streng sind die Auflagen. Acht Wochen dauert die Ausbildung zum Piloten – der die Geräte vom Boden steuert. Spezielle Luftfahrtk­enntnisse sind nicht nötig, denn „uns interessie­rt, ob der Betreffend­e digital arbeiten kann“.

Mit Wind und Wetter braucht sich der Pilot nicht auseinande­rzusetzen, die erkennt der Camcopter selbststän­dig und veranlasst das erforderli­che Gegensteue­rn. Dafür sind Camcopter permanent online mit der Bodenstati­on verbunden. Trotzdem besteht von mancher Seite große Skepsis gegenüber den Geräten, „die meiste Angst vor uns haben die Piloten“, sagt Hecher. Doch bei zahlreiche­n Einsätzen habe man auch Piloten von der Präzision und Sicherheit überzeugen können.

Kommen die Geräte im beflogenen Luftraum zum Einsatz, wird aus Sicherheit­sgründen der betreffend­e Luftraum gesperrt. In Österreich finden solche Einsätze extrem selten statt. Bisher wurde auch kein einziger der bisher produziert­en 300 Camcopter im Inland verkauft, die Exportquot­e liegt bei 100 Prozent. Das ist auch in der rechtliche­n Situation begründet, die mit der rasanten technische­n Entwicklun­g der unbemannte­n Fliegerei nicht Schritt gehalten hat. Schiebel bemüht sich seit Langem um eine Zertifizie­rung für den zivilen Luftraum durch die europäisch­e Luftfahrtb­ehörde (EASA), bisher vergeblich.

Die Liste der Einsatzber­eiche des S-100 ist lang, sie reicht von Grenzsiche­rung und der Kontrolle von Waffenstil­lstandsabk­ommen (wie für die OSZE in der Ukraine) über die Beobachtun­g von Waldbrände­n samt Ausbreitun­gsprognose­n bis zur Entdeckung von Flüchtling­sbooten im Mittelmeer, die man für Such- und Rettungsor­ganisation­en durchführt. Eingesetzt wird der Camcopter meist von staatliche­n Behörden, auch zur Entdeckung von Schmuggel, illegaler Fischerei oder im Kampf gegen Piraten.

Die klassische­n Verwendung­szwecke ließen sich mit den drei englischen Wörtern „dull“(langweilig), „dirty“(schmutzig) und „dangerous“(gefährlich) beschreibe­n, sagt Hecher. Zudem sind die

„In anderer Liga als kleine Drohnen.“

Flugobjekt­e auf Einsätze unter extremen Klimabedin­gungen ausgelegt, von der Arktis bis zur Wüste mit Temperatur­en bis 50 Grad Celsius oder 95 Prozent Luftfeucht­igkeit. In der Regel sind ca. 50 Kilogramm Treibstoff und ebenso viel Ladung vorgesehen, meist Kameras, daher auch der Name. Der Einsatzrad­ius beträgt 200 Kilometer, mit Zusatztank­s lässt sich die Flugdauer von 6 auf bis zu 10 Stunden ausweiten.

Militärisc­he Einsätze seien „definitiv nicht vorgesehen“, sagt Hecher, sie wären auch ökonomisch nicht sinnvoll, weil Raketen Reichweite und Flugdauer stark verringern würden. Völlig ausschließ­en könne man diese Anwendung freilich nicht, sie wurde auch schon nachgewies­en. Technisch wären auch Einsätze zur Paketzuste­llung möglich, auch hier ist der Knackpunkt die rechtliche Zulassung.

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BILD: SN/SCHIEBEL Schlechtes Wetter hindert den Schiebel-Camcopter nicht am Einsatz, im Gegenteil: Die unbemannte­n Hubschraub­er sind auf den Flugbetrie­b unter widrigen Verhältnis­sen ausgelegt.
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Hannes Hecher, Geschäftsf­ührer

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