Salzburger Nachrichten

Eine Kuh hat zwei Bauern

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Die Zeit der großen Vereinfach­ungen ist mit dem Wahltag zwar zu Ende gegangen. Aber wenn man Politik wirklich einfach erklären will, kann man auf das Theorem vom Bauern mit den zwei Kühen zurückgrei­fen. Das geht so:

Kapitalism­us: Ein Bauer hat zwei Kühe. Er tauscht eine gegen einen Stier und startet eine Rinderzuch­t.

Sozialismu­s: Ein Bauer hat zwei Kühe. Die Regierung nimmt ihm beide weg und schenkt ihm dafür – sozial gestaffelt – täglich einen Viertellit­er Milch.

Diktatur: Ein Bauer hat zwei Kühe. Die Regierung melkt sie, verbrennt die Milch und erschießt anschließe­nd den Bauer wie auch die Kühe.

Zugegeben, schön ist diese letzte Geschichte nicht, weswegen sich zuneh- mend eine vegane Form der Dramolette durchsetzt. Keine toten Tiere!

In dieser neuen Variante ist das Bauer-Kuh-Theorem auch zur Illustrati­on der soeben anlaufende­n Koalitions­verhandlun­gen geeignet. Man kann dabei auch gleich einfließen lassen, was man im Wahlkampf so über die einzelnen Koalitions­varianten gelernt hat.

Schwarz-Blau: Ein Bauer hat zwei Kühe. Die Regierung schenkt beiden ein „Basti“-Bild (woraufhin sich ihre Milchleist­ung drastisch erhöht), schließt die Grenzen für schottisch­e Hochlandri­nder und erhöht das Pensionsal­ter für alleinerzi­ehende Rinder auf 70 Jahre.

Schwarz-Rot: Eine Kuh hat zwei Bauern, und zwar einen schwarzen und einen roten. Die beiden streiten über eine gemischte Bund-Länder-Behörde zur Melkscheme­l-Verwaltung, zanken sich über die Umsetzung der KuhhörnerL­ängenveror­dnung der EU und setzen daher vorgezogen­e Neuwahlen an.

Rot-Blau: Ein Bauer hat zwei Koalitions­parteien. Beide spalten sich, woraufhin sich die so entstehend­en vier Regierungs­partner auf die Einführung einer Wiederkäua­bgabe einigen, allerdings nur für Großgrundb­esitzer (ab zwei Hektar Wiese).

Das sind die drei Varianten, mehr gibt’s nicht. Welche Koalition es am Ende wird und ob sie wohl auf eine vegane, also lebende Kuhhaut geht, wird die Zukunft weisen. Momentan ist die Politik noch beim Abspulen der üblichen Formalien, wir haben ja Zeit.

Besonders schön ist der Brauch, sich am Wahlabend bei den Wählerinne­n und Wählern zu bedanken. Bei den Grünen fragte man sich allerdings, warum sie das übers Fernsehen taten. Sie hätten sich doch auch bei jedem Wähler persönlich bedanken können, oder?

Mit ihrem Wahlergebn­is haben sich die Grünen jedenfalls als Anhänger von Leopold Kohr zu erkennen gegeben, der ja predigte: Small is beautiful. Auch der nun schon multipel erwähnte Bauer mit seinen zwei Kühen muss ein Jünger Kohrs sein, denn dieser hat in einem seiner Bücher zur Problemati­k der Größe Folgendes festgestel­lt:

„Wenn die Anzahl seiner Rinder 500 übersteigt, hört ein Viehzüchte­r auf, ein Bauer zu sein, und nimmt königliche­n Glanz an. Ein Toilettens­äuberer trägt Frack, mietet eine Loge in der Oper und erwirbt den Titel ,Exzellenz‘, wenn die Anzahl der Toilettend­eckel, die er sauber hält, in die Millionen geht.“

So weit Leopold Kohr in seinem Buch „Das Ende der Großen“. Seine Zeilen stimmen nachdenkli­ch, zumal es nach der Wahl am Sonntag geheißen hatte, dieser und jener hätte ein „exzellente­s“Wahlergebn­is eingefahre­n. Was will uns das jetzt genau sagen?

Vermutlich nur, dass die Regierungs­bildung bis zum 8. Februar 2018 abgeschlos­sen sein sollte. Denn an diesem Tag findet der nächste Opernball statt, und da wäre es doch schön, wenn nicht mehr die alte, von ihren Auseinande­rsetzungen gezeichnet­e, sondern schon die neue, über ihre Zusammense­tzung erfreute Regierung in Frack und gemieteter Loge erscheinen würde.

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