Verliebter Straßenbahner braucht Glück
Von der Wiener Gegenwart ins 17. Jahrhundert und retour: Stefan Slupetzky lässt seinen Krimihelden Wallisch zum fünften Mal ermitteln.
Das hat Leopold Wallisch gerade noch gebraucht: Der Neffe seiner Gattin, ein junger Straßenbahnfahrer, benötigt dringend Unterstützung. Seine Angehimmelte, für die er allmorgendlich im D-Wagen poetische Durchsagen ins Mikrofon flötete, wurde vor seinen Augen entführt. Da bleibt dem ehemaligen Kriminalbeamten nichts übrig, als helfend einzuschreiten. „Die Rückkehr des Lemming“ist sein fünfter Fall.
Stefan Slupetzky, erfolgreicher Autor, Schüttelreimer sowie singendes und spielendes Drittel des Trio Lepschi lässt seinen Heimatbezirk Wien-Alsergrund erneut von Verbrechen heimgesucht werden.
Die Ermittlungen, die der mittlerweile eigentlich als Nachtwächter im Tiergarten Schönbrunn beschäftigte Wallisch mit seinem Neffen aufnimmt, rufen rasch Wallischs früheren Kollegen Chefinspektor Polivka auf den Plan. Denn die erste Leiche lässt nicht lange auf sich warten. Und es folgen weitere. Der verliebte Straßenbahner Theo hat dagegen Glück: Statt im Leichenschauhaus landet er bloß im Krankenhaus.
Die Nachforschungen führen ins HomeOffice eines reiseunlustigen Reisejournalisten sowie in eine leer stehende Geflügelfarm in Kärnten, wo bald ein ehrgeiziges, über die simple Straußen-Farm noch weit hinausgehendes Gourmet-Projekt verwirklicht werden soll. Vögel sind nahezu omnipräsent in diesem Krimi: Vom Graupapagei, der mit „Meine Eier!“-Dauerrufen seine Umgebung nervt, über Hühner-ShootingGames bis zum Dodo-Pärchen Kaspar und Pannonia. Die zwei Vertreter der um 1690 auf Mauritius ausgerotteten Spezies flugunfähiger Vögel, die später durch „Alice im Wunderland“viel Nachruhm erhielten, watscheln als geschlüpfte Überraschungseier durch das Buch.
Slupetzky etabliert nämlich in Kapitel vier unvermittelt eine Nebenhandlung, die lange Rätsel aufgibt: Sie führt Jahrhunderte zurück und wirkt, als wären hier Auszüge aus Franzobels „Floß der Medusa“und Daniel Kehlmanns „Tyll“eingeschmuggelt worden. So verloren dieser Erzählstrang zunächst wirkt, so liebevoll wird er geflochten. Wie der Bauernbub Max Horvat im 17. Jahrhundert aus der südsteirischen Einöde an den Wiener Kaiserhof, von dort nach Mauritius und wieder zurück gelangt, ist hohes erzählerisches Risiko, mit großer Lust ausfabuliert und am Ende in einem Überraschungscoup mit der Haupthandlung zusammengeführt. Dass „Die Rückkehr des Lemming“nicht einfach ein weiterer Regionalkrimi mit Lokalkolorit sein will, zeigt Slupetzky auch bei seinem liebevollen sprachlichen Zugriff, der mitunter ins Absurde changiert, wenn etwa die Kapitel stets mit besonders gewagten Vergleichen – etwa: „Die Zeit ist das Chamäleon unter den Quälgeistern“– beginnen. Ja, und schüttelgereimt wird zwischendurch natürlich auch.