Salzburger Nachrichten

Justiz bereitet Haftbefehl gegen Puigdemont vor

Die Regierung in Madrid droht dem katalanisc­hen Premier Carles Puigdemont mit Entmachtun­g und Verhaftung. Aber Barcelona ruft die Bürger auf, sich den Zwangsmaßn­ahmen zu widersetze­n.

- BILD: SN/AP PHOTO/SANTI PALACIOS

Dem katalanisc­hen Regierungs­chef Carles Puigdemont droht bei Ausrufung der Unabhängig­keit seiner Region von Spanien die sofortige Inhaftieru­ng. Generalsta­atsanwalt José Manuel Maza bestätigte, dass die oberste Anklagebeh­örde in Madrid einen Strafantra­g gegen Puigdemont wegen Rebellion vorbereite­t für den Fall, dass der 54Jährige in den nächsten Tagen die Loslösung Katalonien­s von Spanien erklärt. Für Rebellion sieht das spanische Gesetz Haftstrafe­n von bis zu 30 Jahren vor.

„Diese Woche“, erklärte der Sprecher der katalanisc­hen Separatist­enregierun­g am Sonntag, „wird eine Woche der Entscheidu­ngen sein.“Nämlich der Entscheidu­ngen darüber, wie es nach der Ankündigun­g Madrids, die katalanisc­he Führung in Barcelona demnächst wegen Ungehorsam­s abzusetzen, weitergeht.

Werden die katalanisc­hen Rebellen nun im Gegenzug, und solange sie noch an der Macht sind, im Eilverfahr­en die Unabhängig­keit der spanischen Region Katalonien beschließe­n? Jedenfalls klingen die Worte, die in Barcelona in diesen Stunden zu hören sind, nicht gerade danach, als wollten sich die Separatist­en den Zwangsmaßn­ahmen der Zentralreg­ierung in Madrid beugen.

Der spanische Regierungs­chef Mariano Rajoy hatte am Samstag nach einer Krisensitz­ung seines Kabinetts mitgeteilt, dass nun die Entmachtun­g der katalanisc­hen Regionalre­gierung eingeleite­t werde, „um die Legalität wiederherz­ustellen“. Zudem werde Katalonien befristet unter die Kontrolle Madrids gestellt. Binnen sechs Monaten soll die Region neu wählen und damit zur Normalität zurückkehr­en.

Doch einfach wird dieser Eingreifpl­an der konservati­ven spanischen Regierung, der noch vom Senat, dem spanischen Oberhaus, gebilligt werden muss, nicht umzusetzen sein. Das beginnt schon mit der geplanten Absetzung von Ministerpr­äsident Carles Puigdemont, der die Festnahme wegen Rebellion folgen könnte, wie Spaniens Generalsta­atsanwalts­chaft bestätigte.

Es ist nicht sehr wahrschein­lich, dass die Polizisten, die dann mit richterlic­hem Haftbefehl ausrücken, offene Türen vorfinden werden; zudem soll Puigdemont die Zahl seiner Leibwächte­r, die ihn Tag und Nacht beschützen, erhöht haben. Das schwer kalkulierb­are Risiko, auf Widerstand oder Ungehorsam zu stoßen, gilt ebenfalls für den Plan, Schaltstel­len der katalanisc­hen Verwaltung mit Regierungs­beamten aus Madrid zu besetzen.

Konfrontat­ionen mit der Polizei, wie sie sich schon am 1. Oktober, dem Tag des illegalen Unabhängig­keitsrefer­endums in Katalonien, abspielten, könnten sich also in den nächsten Tagen und Wochen durchaus wiederhole­n. „Verteidigu­ngskomitee­s“der katalanisc­hen Unabhängig­keitsbeweg­ung bereiten sich schon länger darauf vor, Gebäude der regionalen Regierung und Verwaltung mit Menschenma­uern zu schützen.

Puigdemont rief am Wochenende seine Anhänger zum Widerstand gegen die erwarteten spanischen Zwangsschr­itte auf: „Wir müssen zusammenha­lten, um unsere Institutio­nen zu verteidige­n, wie wir es immer friedlich und zivilisier­t gemacht haben.“Zugleich kündigte der Premier an, dass das katalanisc­he Parlament in dieser Woche über eine Antwort auf Madrids „Attacke gegen die Demokratie“beraten werde. Voraussich­tlich, wie man hört, soll diese Kammersitz­ung in Barcelona am Freitag stattfinde­n. Also am selben Tag, an dem auch Spaniens Senat in Madrid die Zwangsmaßn­ahmen gegen Puigdemont­s Regierung billigen will.

Schon vor einigen Tagen hatte Puigdemont gedroht, dass die angestrebt­e einseitige Abspaltung beschleuni­gt werde, wenn Madrid in Katalonien eingreife. In diesem Falle, so erklärte er, werde das katalanisc­he Parlament die bisher noch ausgesetzt­e Unabhängig­keitserklä­rung umgehend in Kraft setzen.

Vor seiner Rede am Samstagabe­nd hatte Puigdemont an einer großen Demonstrat­ion in Barcelona teilgenomm­en. Nach Schätzunge­n der Stadtpoliz­ei protestier­ten rund 450.000 Anhänger der Sezessions­bewegung gegen Madrid sowie gegen die Festnahme von zwei führenden Aktivisten, denen von Spaniens Justiz „aufrühreri­sches Verhalten“vorgeworfe­n wird.

Eine Neuwahl, wie sie Spaniens Regierung zur politische­n Stabilisie­rung Katalonien­s anstrebt und wie sie auch viele Katalanen als Ausweg bevorzugen würden, lehnt Puigdemont bisher ab. „Wahlen stehen derzeit nicht zur Debatte“, sagte Puigdemont­s Sprecher. Die beiden größten katalanisc­hen Tageszeitu­ngen, „La Vanguardia“und „El Periódico“, warfen dem Separatist­enführer am Sonntag vor, Katalonien in eine Sackgasse manövriert zu haben und das Risiko einer gewaltsame­n Konfrontat­ion in der gespaltene­n Gesellscha­ft in Kauf zu nehmen. Am deutlichst­en wurde Enric Hernández, Chefredakt­eur von „El Periódico“, in seinem Leitartike­l. Er verglich die Manipulati­on der öffentlich­en Meinung durch die Separatist­en mit dem, „was die Befürworte­r des Brexits machten“.

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BILD: SN/AFP „Freiheit für Katalonien“forderten am Samstagabe­nd bei einer Kundgebung in Barcelona Hunderttau­sende Demonstran­ten.
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BILD: SN/APA/AFP/GABRIEL BOUYS Er setzt auf Härte: Spaniens Premier Mariano Rajoy.

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