Tschechien rückt nach rechts
Nach Polen und Ungarn siegt der Populismus nun auch in der Tschechischen Republik. Wohin wird Wahlsieger Andrej Babiš das Land in der Mitte Europas steuern?
Nach Polen und Ungarn siegt der Populismus nun auch in der Tschechischen Republik. Wohin wird Wahlsieger Andrej Babiš das Land in der Mitte Europas steuern?
Der umstrittene Milliardär Andrej Babiš hat die Parlamentswahl in Tschechien mit einem massiven Vorsprung gewonnen. Der Populist kam mit seiner Protestbewegung ANO („Ja“) auf 29,6 Prozent der Stimmen, das ist ein Zuwachs von knapp elf Prozentpunkten gegenüber 2013. Der Ex-Finanzminister Babiš will „den Staat wie eine Firma lenken“und wird in den Medien deshalb auch „der tschechische Donald Trump“genannt.
Analysten sprachen von einem „politischen Erdbeben“und einem „Hurrikan“. Die Sozialdemokraten (CSSD), die bisher den Regierungschef gestellt hatten, erlebten ein Debakel: Sie stürzten trotz einer boomenden Wirtschaft von 20,5 Prozent auf 7,3 Prozent ab. Die Wahlbeteiligung war mit 60,8 Prozent etwa gleich hoch wie 2013. Das geht aus dem am Samstag veröffentlichten vorläufigen Ergebnis der Statistikbehörde CSU hervor.
Populisten verschiedener Lager hatten zuletzt auch in anderen europäischen Ländern Zulauf bekommen. Vor einer Woche erhielt die rechtspopulistische FPÖ bei der Nationalratswahl in Österreich 25,97 Prozent der Stimmen. Im September schaffte die rechtspopulistische AfD erstmals den Einzug in den Deutschen Bundestag. Bei der Präsidentenwahl in Frankreich kam Marine Le Pen von der rechtsextremen Front National bis in die Stichwahl, verlor aber dann gegen den Sozialliberalen Emmanuel Macron.
Babiš kündigte eine schnelle Regierungsbildung an. Er habe alle Parteichefs per SMS zu Gesprächen eingeladen, sagte der 63-Jährige am Wahlabend vor jubelnden Anhängern in Prag. Am Sonntag standen erste informelle Treffen mit der kommunistischen KSCM (7,8 Prozent) und der Bürgermeisterpartei STAN (5,2 Prozent) auf dem Programm. Aufgrund der Sitzverteilung braucht Babiš mindestens zwei kleinere Partner zum Regieren.
Im Wahlkampf hatte sich der gebürtige Slowake als Euroskeptiker, scharfer Kritiker der Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Gegner einer tieferen EU-Integration profiliert. Seinen Gegnern und den Medien warf der zweitreichste Tscheche am Wahlabend eine „Desinformationskampagne“vor. „Wir sind keine Gefahr für die Demokratie“, sagte Babiš im Sender CT.
Erstmals in der Geschichte der noch jungen Demokratie in Tschechien ermittelt die Polizei gegen einen Wahlsieger. Babiš wird des EUSubventionsbetrugs in Millionenhöhe verdächtigt. Viele Parteien lehnen daher eine Zusammenarbeit mit ihm ab. Tschechiens Präsident Miloš Zeman hat allerdings signalisiert, die stärkste Fraktion dennoch mit der Regierungsbildung zu beauftragen.
Zweitstärkste Kraft wurden die konservativen Bürgerdemokraten (ODS) mit 11,3 Prozent (plus 3,6 Punkte). Ihr Vorsitzender Petr Fiala schloss ein Bündnis mit Babiš aus. „Wir werden einen Kampf führen um Werte, einen Kampf um die außenpolitische Ausrichtung Tschechiens“, sagte der frühere Hochschulrektor.
Stark zulegen konnte die rechtsradikale SPD – das Kürzel steht im Tschechischen für Freiheit und direkte Demokratie. Sie kam auf 10,6 Prozent. „Wir wollen jegliche Islamisierung Tschechiens stoppen“, sagte Parteichef Tomio Okamura. Für eine Überraschung sorgte die Piratenpartei: Sie schaffte mit 10,8 Prozent der Stimmen erstmals den Einzug ins Abgeordnetenhaus. Der Parlaments-Newcomer war im Wahlkampf gegen die grassierende Korruption und für die Legalisierung von Drogen wie Haschisch und Marihuana eingetreten.
Wahlsieger Babiš ist Gründer eines Firmenimperiums, das bedeutende Tageszeitungen und den meistgehörten Privatradiosender Impuls umfasst. Kritiker warnen daher vor einer beispiellosen Konzentration medialer, politischer und wirtschaftlicher Macht. Sie sehen Parallelen zum italienischen Ex-Premier Silvio Berlusconi.
In Europa dürfte die Angst vor einem wachsenden Graben zwischen dem westlichen und dem östlichen Teil der EU größer werden. Babiš bezeichnete den österreichischen Wahlsieger Sebastian Kurz bereits als einen weiteren „Verbündeten“der Visegrád-Gruppe im Kampf gegen die EU-Flüchtlingspolitik. Zu den Visegrád-Vier zählen neben Tschechien auch Polen, Ungarn und die Slowakei.