Eines steht fest: Es wird wieder ein Wiener
Woher kommt der nächste Kanzler? In Österreich ist das nicht wirklich eine Frage.
Wie immer die Koalitionsverhandlungen ausgehen, eines steht jetzt schon fest: Der nächste Kanzler und vermutlich auch der nächste Vizekanzler werden Wiener sein. Denn Sebastian Kurz ist Wiener, Christian Kern ist Wiener und auch Heinz-Christian Strache ist Wiener.
Im Wahlkampf lieferten die drei einander sogar einen kleinen Wettbewerb, wer „mehr“aus einem Wiener Arbeiterbezirk komme als die Konkurrenten. Diese Wertung konnte übrigens Kern (Simmering) vor Kurz (Meidling) und Strache (Landstraße) für sich entscheiden. Aber das nur nebenbei.
Die Wiener Dominanz auf dem Ballhausplatz ist nichts Neues. Von den sechs Kanzlern der jüngeren Vergangenheit stammten vier aus Wien und einer aus einem Vorort Wiens.
Es ist auch nichts Schlimmes oder Ehrenrühriges daran, dass sich Wiener die Regierungsbildung untereinander ausmachen. Es ist nur bemerkenswert, wie stark die Bundespolitik von einem einzigen Bundesland dominiert wird, personell wie auch inhaltlich. Was das Personelle betrifft, sind die anderen Bundesländer zum Teil freilich selbst schuld. Wie oft hört man von fähigen Landespolitikern doch den Satz: „Mein Platz ist in meinem Land, ich gehe nicht nach Wien.“
Der letzte Landeshauptmann, der in die Bundespolitik wechselte, war Josef Klaus. Das war 1961, ist also mehr als ein halbes Jahrhundert her. Da dürfen sich die Bundesländer dann nicht wundern.
Dazu kommt, dass sich die Bundespolitik nun einmal in Wien abspielt. Der Bundespräsident, die Regierung, das Parlament, die Höchstgerichte, die Parteizentralen – alles ist in der Bundeshauptstadt angesiedelt. Das erzeugt einen Sog. Ein Wiener wird nun einmal eher als Sekretär bei einer Bundespartei anheuern als ein Kleinwalsertaler.
So kommt es, dass es politische Talente (oder Personen, die sich dafür halten) in den Bundesländern eher in die Landespolitik, in Wien hingegen in größerer Zahl in die Bundespolitik zieht. So entstehen Wiener Seilschaften (wobei es in der SPÖ sogar wichtig ist, aus welchem Wiener Bezirk man stammt) und ein spezieller Wiener Blick auf die Politik und die politischen Probleme.
Ein Tiroler, den es kurzzeitig in die Bundespolitik verschlagen hatte, sagte in seiner Bilanz: Wenn man das Wiener politische Parkett betrete, merke man erst, wie sehr man aus der Provinz kommt. Er meinte damit: wie groß die Unterschiede und die Distanz zwischen den Bundesländern und der Hauptstadt seien.
Der Tiroler (übrigens ein Universitätsprofessor) zog eine Parallele zum alten Rom: Auch dort habe eine Stadt dem ganzen Reich den Stempel aufgedrückt. Nur was in der Hauptstadt passierte, hatte politische Relevanz. Alles andere war Provinz.
Ein überzogener Vergleich? Vielleicht.