Geld allein stoppt den Migrantenstrom nicht
Libyen-Kenner bezweifeln, dass sich illegale Zuwanderung durch Deals mit Milizenführern eindämmen lässt. Die Ankünfte in Italien steigen.
Die EU-Staats- und -Regierungschefs haben sich auf dem Gipfel Ende voriger Woche auf zusätzliche Anstrengungen zur Eindämmung illegaler Migration geeinigt. Unter anderem sollen die Fluchtrouten genau beobachtet, die Abschiebungen von Nicht-Asylberechtigten verstärkt und der EUAfrika-Fonds besser ausgestattet und so Fluchtursachen bekämpft werden. „Wir haben eine gute Chance, die Mittelmeerroute zu schließen“, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk nach dem Treffen und verwies auf die 2017 drastisch gesunkenen Migrationsströme in die Europäische Union.
Wolfgang Pusztai, internationaler Politik- und Sicherheitsanalyst und Libyen-Kenner, ist nicht ganz überzeugt davon. Seit September steigen die Ankünfte von Migranten und Flüchtlingen aus dem Wüstenstaat in Italien wieder. Im Oktober rechnet er mit rund 8000 – was zwar nicht einmal ein Drittel der Zahlen von 2016 wäre, aber um fast 30 Prozent mehr als im August. Der Grund: Der EU und Italien seien ih- re Verbündeten abhandengekommen, die bis zu diesem Zeitpunkt Migranten davon abgehalten hatten, in Boote zu steigen. Die sogenannten Dabashi-Milizen wurden bei schweren Kämpfen bei Sabrata westlich der Hauptstadt Tripolis von anderen Verbänden besiegt.
Das Problem in Libyen sei mit solchen Abkommen mit einzelnen Gruppierungen nicht zu lösen, sagt der Experte. Vielmehr müsse den Migranten der Eintritt nach Europa verwehrt werden. Dazu schlägt er vor, auf unbewohnten Inseln etwa vor Tunesien hochwertige Migrationszentren zu errichten – betrieben von der EU oder dem UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Dort sollten die Asylverfahren abgewickelt werden. Das würde viele Menschen davon abhalten, die gefährliche Reise anzutreten, und wäre günstiger „als das, was jetzt passiert“, sagt er am Rande einer Libyen-Konferenz in Brüssel. Zudem müsse das gespaltene Land stabilisiert werden, damit es nicht zu einem Rückzugsgebiet für Terroristen wird.
Libyens Kurzzeit-Premier Mahmud Dschibril hält die Zahlungen an Milizenführer „für die wahre Hürde“für eine politische Lösung im Land und fürchtet, dass viele Gestrandete bleiben, wenn sich die Bedingungen auf Druck der internationalen Hilfsorganisationen verbessern. Das UNHCR hatte den unmenschlichen Umgang mit Flüchtlingen in Libyen hart kritisiert.