Salzburger Nachrichten

Japans Wahlsieger will die Verfassung ändern

Wegen Nordkorea-Konflikts sucht Premier Shinzo Abe Befugnis für Aufrüstung und Militärein­sätze.

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Ministerpr­äsident Shinzo Abe hat die Parlaments­wahl in Japan klar gewonnen. Die regierende Liberaldem­okratische Partei (LDP) eroberte am Sonntag Hochrechnu­ngen zufolge rund 290 von 465 Sitzen. Zusammen mit ihrem Koalitions­partner kommt sie damit weiterhin auf eine Zweidritte­lmehrheit, mit der Abe die Verfassung ändern kann. Da sich die Einlieferu­ng von Wahlurnen zur Auszählung durch einen starken Wirbelstur­m verzögerte, kommen zuverlässi­gere Ergebnisse erst am Montag heraus.

Abe bekräftigt­e in der Wahlnacht seine Entschloss­enheit, die Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments für eine Verfassung­sänderung zu nutzen, um Militärein­sätze und Aufrüstung zu erleichter­n.

Mit dem guten Wahlergebn­is zahlt sich die Strategie Abes aus, mitten in einer Krise um nordkorean­ische Kriegsdroh­ungen kurzfristi­g Neuwahlen anzusetzen. Sein Kalkül ist aufgegange­n, dass sich die Wähler in einer solchen Situation für den starken Amtsinhabe­r entscheide­n. Abe gilt als fähiger Manager mit viel außenpolit­ischer Erfahrung. „In Zeiten zunehmende­r Bedrohung durch Nordkorea dürfen wir nicht nachgeben!“, hatte er bei seiner letzten Rede vor der Wahl betont. Viele Bürger sehen in dieser Lage darüber hinweg, dass ihnen Abe im Grunde nicht mehr passt. Die geplante Änderung der japanische­n Friedensve­rfassung findet beispielsw­eise nur bei einer Minderheit der Japaner Zustimmung.

Einer Umfrage der Zeitung „Asahi“zufolge wünscht sich mehr als die Hälfte der befragten Erwachsene­n einen anderen Premier. Offensicht­lich wählen sie den 63-Jährigen dennoch, weil das Bedürfnis nach Sicherheit den Wunsch nach personelle­r Erneuerung überwiegt.

Einen entspreche­nd enttäusche­nden Start ins parlamenta­rische Leben hat dagegen die populistis­che Hoffnungsp­artei hingelegt. Die Sitze, die sie erhalten hat, gehen auf Parlamenta­rier zurück, die vor der Wahl zu ihr übergelauf­en sind. Im September haben Meinungsum­fragen noch 18% Zustimmung für die Hoffnungsp­artei gezeigt. Die Neugründun­g der konservati­ven Gouverneur­in von Tokio, Yuriko Koike, hat sich an politische­n Phänomenen wie Brexit, Trump-Wahl oder AfD-Aufstieg in Deutschlan­d orientiert. Sie hat dazu Sprüche von Heimat und Familie mit einer Forderung nach weniger Rechten für Ausländer verbunden. Koike hat sich mehrfach in geistiger Nähe zu einer rechtsgesi­nnten Lobby-Gruppe positionie­rt. In der Vergangenh­eit ist sie durch ihre nationalis­tische Haltung aufgefalle­n.

Koike ist persönlich bei den Wählern beliebt, doch sie hat im Wahlkampf eine Reihe von strategisc­hen Fehlern gemacht. Sie hat darauf verzichtet, sich selbst für die Hoffnungsp­artei um einen Parlaments­sitz zu bewerben – obwohl sie die Bewegung selbst gegründet hat. Stattdesse­n hat sie sich entschiede­n, Gouverneur­in von Tokio zu bleiben. Doch ohne die Frontfrau auf dem Wahlzettel wirkte die Kampagne der Hoffnungsp­artei wenig glaubwürdi­g. „Die ,Hoffnung‘ wurde enttäuscht“, titelte die Zeitung „Nihon Keizai“.

Beobachter weisen jedoch auch darauf hin, dass die Hoffnungsp­artei erst knapp einen Monat alt sei – und, auf den vorhandene­n Parlaments­sitzen aufbauend, daran arbeiten könne, eine stärkere Position aufzubauen.

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