Am Bart lässt sich der Wohlstand messen
Alvis Hermanis inszenierte Alexander Ostrowskis „Schlechte Partie“als zähes Aufsagetheater.
Außer der schönen Larissa und ihrer Mutter treten in Ostrowskis Satire nur Männer auf. Offiziere und Kaufleute, Reeder, Beamte, Wirte. Alle sind hinter Larissa her, kommen zum Tee und bringen teure Geschenke. Wenn Larissa in bunten Kleidern und mit elegantem Kopfschmuck für diese Herrengesellschaft tanzt, dann zittern die Backenbärte. Ohne zu zögern werden die Brieftaschen gezückt.
Die letzte unverheiratete Tochter der alleinstehenden Ogudalowa ist schwer verliebt in den Reeder Paratow, einen wilden Draufgänger und heillosen Angeber. Der tiefschwarze Bart von Nicholas Ofczarek weist klar auf seine Verwegenheit hin. Dieser Paratow erweist sich als echter Schwerenöter. An der Pracht des Backenbarts lässt sich der Wohlstand der Männer messen: Den prächtigsten trägt der reiche Geschäftsmann Knurow. Wie Gold glänzen die langen Barthaare, die Peter Simonischek selbstverliebt streichelt und dabei an eine Reise nach Paris mit Larissa denkt. An eine Reise wohlgemerkt, denn für eine Heirat reicht ihre Mitgift nicht aus, sie ist eine zu schlechte Partie. Allein der biedere Beamte Karandyschew, der sie wahrhaft liebt, möchte sie zur Frau nehmen. Wie es um seine finanziellen Mittel bestellt ist, demonstriert sein mickriger Backenflaum. Nicht einmal mit der Haarpracht der Kellner kann er konkurrieren.
Michael Maertens ist als Karandyschew zu sehen und damit wieder einmal als Gegenpart von Nicholas Ofczarek. Von der erwarteten Komik, die sich oft aus dem Zusammenspiel der beiden Burg-Stars ergibt, ist in dieser Inszenierung nichts zu sehen. Hermanis hat sie von Beginn an als lächerliche Gestalten eingeführt. Wenn Maertens mit hängenden Schultern über die Bühne schlurft, an Ofczarek vorbei, der wie ein Gockel seine Brust nach oben reckt, sind die Figuren im ersten Moment etabliert. Dann passiert nichts mehr in der dreistündigen Inszenierung, die belanglos dahinplätschert. So wird die bitterböse Satire über die Macht des Geldes und die Habgier der Parvenüs und Spekulanten nicht griffig.
Es wird in ganz großen Stummfilm-Gesten geschmachtet, gesäuselt und geseufzt. Marie-Luise Stockinger spielt Larissa vollkommen abgehoben, die Lippen stets leicht geöffnet, ekstatisch tanzend. Dörte Lyssewski als Mutter Ogudalowa rauft sich stets das krause Haar, rollt empört die Augen und moduliert die Silben. An Ostrowskis Gesellschaftskritik kommt die Regie nicht heran. Stattdessen verliert sich die Produktion in Details der Ausstattung, in einer aufwendigen Ahnengalerie im Hause der Ogudalowa oder in prächtigen FolkloreAnspielungen. Schon in der Pause des zähen Abends lichteten sich die Reihen. Theater: