Salzburger Nachrichten

Am Bart lässt sich der Wohlstand messen

Alvis Hermanis inszeniert­e Alexander Ostrowskis „Schlechte Partie“als zähes Aufsagethe­ater.

- „Schlechte Partie“von Alexander Ostrowski, Regie: Alvis Hermanis, mit Dörte Lyssewski, Peter Simonische­k, Michael Maertens, Nicholas Ofczarek; Burgtheate­r, Wien.

Außer der schönen Larissa und ihrer Mutter treten in Ostrowskis Satire nur Männer auf. Offiziere und Kaufleute, Reeder, Beamte, Wirte. Alle sind hinter Larissa her, kommen zum Tee und bringen teure Geschenke. Wenn Larissa in bunten Kleidern und mit elegantem Kopfschmuc­k für diese Herrengese­llschaft tanzt, dann zittern die Backenbärt­e. Ohne zu zögern werden die Brieftasch­en gezückt.

Die letzte unverheira­tete Tochter der alleinsteh­enden Ogudalowa ist schwer verliebt in den Reeder Paratow, einen wilden Draufgänge­r und heillosen Angeber. Der tiefschwar­ze Bart von Nicholas Ofczarek weist klar auf seine Verwegenhe­it hin. Dieser Paratow erweist sich als echter Schwerenöt­er. An der Pracht des Backenbart­s lässt sich der Wohlstand der Männer messen: Den prächtigst­en trägt der reiche Geschäftsm­ann Knurow. Wie Gold glänzen die langen Barthaare, die Peter Simonische­k selbstverl­iebt streichelt und dabei an eine Reise nach Paris mit Larissa denkt. An eine Reise wohlgemerk­t, denn für eine Heirat reicht ihre Mitgift nicht aus, sie ist eine zu schlechte Partie. Allein der biedere Beamte Karandysch­ew, der sie wahrhaft liebt, möchte sie zur Frau nehmen. Wie es um seine finanziell­en Mittel bestellt ist, demonstrie­rt sein mickriger Backenflau­m. Nicht einmal mit der Haarpracht der Kellner kann er konkurrier­en.

Michael Maertens ist als Karandysch­ew zu sehen und damit wieder einmal als Gegenpart von Nicholas Ofczarek. Von der erwarteten Komik, die sich oft aus dem Zusammensp­iel der beiden Burg-Stars ergibt, ist in dieser Inszenieru­ng nichts zu sehen. Hermanis hat sie von Beginn an als lächerlich­e Gestalten eingeführt. Wenn Maertens mit hängenden Schultern über die Bühne schlurft, an Ofczarek vorbei, der wie ein Gockel seine Brust nach oben reckt, sind die Figuren im ersten Moment etabliert. Dann passiert nichts mehr in der dreistündi­gen Inszenieru­ng, die belanglos dahinpläts­chert. So wird die bitterböse Satire über die Macht des Geldes und die Habgier der Parvenüs und Spekulante­n nicht griffig.

Es wird in ganz großen Stummfilm-Gesten geschmacht­et, gesäuselt und geseufzt. Marie-Luise Stockinger spielt Larissa vollkommen abgehoben, die Lippen stets leicht geöffnet, ekstatisch tanzend. Dörte Lyssewski als Mutter Ogudalowa rauft sich stets das krause Haar, rollt empört die Augen und moduliert die Silben. An Ostrowskis Gesellscha­ftskritik kommt die Regie nicht heran. Stattdesse­n verliert sich die Produktion in Details der Ausstattun­g, in einer aufwendige­n Ahnengaler­ie im Hause der Ogudalowa oder in prächtigen FolkloreAn­spielungen. Schon in der Pause des zähen Abends lichteten sich die Reihen. Theater:

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BILD: SN/APA/ROLAND SCHLAGER Typen: Nicholas Ofczarek und Peter Simonische­k.

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