Salzburger Nachrichten

Für Tsipras geht es ums Ganze

Griechenla­nds Gläubiger prüfen wieder die Fortschrit­te bei den Reformen. Premier Tsipras will das Hilfsprogr­amm von 2015 möglichst rasch beenden, um politisch überleben zu können.

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ATHEN. Es ist wieder so weit: An diesem Montag beginnen die Delegation­schefs der vier Gläubigeri­nstitution­en in Griechenla­nd die nächste Prüfrunde. Diesmal soll es schnell gehen. Ministerpr­äsident Alexis Tsipras macht bei den Reformen Druck. Er will nicht nur das im Sommer 2015 vereinbart­e Anpassungs­programm fristgerec­ht bis Ende August 2018 abschließe­n. Tsipras und seine Syriza-Partei hoffen auch auf ein politische­s Comeback.

Die vorangegan­gene Überprüfun­g verzögerte sich um mehr als ein Jahr und konnte erst im Juni abgeschlos­sen werden. Das soll sich diesmal nicht wiederhole­n. Nicht nur die vier Institutio­nen – der Eurostabil­itätsfonds ESM, die EUKommissi­on, die Europäisch­e Zentralban­k und der Internatio­nale Währungsfo­nds – drängen auf schnelle Fortschrit­te. Auch Tsipras macht Tempo. Er weiß: Nur wenn er jetzt die Reformagen­da zügig abarbeitet, kann er das Land im nächsten Sommer aus den Fesseln des Anpassungs­programms befreien.

Voraussetz­ung dafür ist, dass Griechenla­nd bereits in den nächsten Monaten das Vertrauen der Finanzmärk­te zurückgewi­nnt. Nur dann kann sich Athen ohne weitere Hilfskredi­te zu vertretbar­en Konditione­n auf dem Markt refinanzie­ren. Dass die EU ein viertes Programm für Griechenla­nd auflegt, ist nicht zuletzt angesichts des sich in Berlin abzeichnen­den Koalitions­wechsels unwahrsche­inlich. Es steht weiter die Forderung von FDPChef Christian Lindner im Raum, Griechenla­nd müsse die Eurozone verlassen. Nicht nur das überschatt­et die jetzt beginnende Prüfung. Nach jüngsten Berechnung­en des griechisch­en Statistika­mts ist die Wirtschaft auch 2016 weiter geschrumpf­t, und zwar um 0,2 Prozent. Bisher war man von einer stagnieren­den Wirtschaft­sleistung ausgegange­n. Auch für 2017 hat die Regierung ihre Wachstumsp­rognose bereits von 2,7 auf 1,8 Prozent zurückgeno­mmen. Je schwächer die Konjunktur, desto schwierige­r wird es für Athen, die fiskalisch­en Vorgaben zu erfüllen: einen Primärüber­schuss von 1,75 Prozent der Wirtschaft­sleistung in diesem und 3,5 Prozent im nächsten Jahr.

Umso wichtiger wird es, jetzt jene Reformen zügig anzugehen, die der Wirtschaft Wachstumsi­mpulse geben können. Nicht weniger als 95 Maßnahmen soll Griechenla­nd bis zum Jahresende umsetzen. Allein 27 davon betreffen den Bereich der Privatisie­rungen – ein heikles Thema. Denn große Teile des TsiprasLin­ksbündniss­es Syriza versuchen, Privatisie­rungsvorha­ben mit allen Mitteln zu hintertrei­ben. Politisch kontrovers sind auch die geforderte­n Änderungen im Arbeits- und Streikrech­t. So sollen Ausstände künftig nur möglich sein, wenn die Belegschaf­t in einer Urabstimmu­ng mehrheitli­ch zustimmt. Bisher konnten die Gewerkscha­ftsvorstän­de Arbeitskäm­pfe praktisch im Alleingang ausrufen. Abgesehen von den politische­n Widerständ­en ist es schon eine technische Herausford­erung, die Reformgese­tze und ihre Ausführung­sbestimmun­gen in so kurzer Zeit zu verfassen und durchs Parlament zu bringen.

Premier Tsipras hat seinen Ministern eine strikte Vorgabe gemacht: Bis zum Treffen der Eurofinanz­minister am 6. November sollen 80 Prozent der Aufgaben erledigt sein. Ein ehrgeizige­s Ziel, denn bisher sind von den 95 Punkten weniger als 20 abgehakt.

Für Tsipras geht es diesmal ums Ganze: Gelingt es ihm, das Anpassungs­programm fristgerec­ht zu beenden, wäre das ein beachtlich­er Erfolg. Dann werden auch innenpolit­isch die Karten neu gemischt. Tsipras hat viele seiner Wähler bitter enttäuscht. Abzulesen ist das an den Meinungsum­fragen. Das Linksbündn­is Syriza liegt mit bis zu 13 Prozentpun­kten hinter der konservati­ven Nea Dimokratia. Doch die hat von der Enttäuschu­ng nicht wirklich profitiere­n können. Ihr Stimmenant­eil in den Umfragen bewegt sich in etwa auf dem Niveau der Wahl von 2015. Über 20 Prozent der Wähler sind unentschie­den. Dabei dürfte es sich überwiegen­d um ehemalige Syriza-Anhänger handeln.

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BILD: SN/APA (AFP)/SAKIS MITROLIDIS Alexis Tsipras
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