Salzburger Nachrichten

Solarenerg­ie bricht Rekorde

Die Internatio­nale Energieage­ntur musste ihre Prognosen nach oben korrigiere­n. Chef Fatih Birol sieht die „Geburt einer neuen Ära“.

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PARIS. Weltweit sind die sauberen Energien auf einem Siegeszug. Dies zumindest gab die Internatio­nale Energieage­ntur (IEA) kürzlich in ihrem jährlichen Bericht bekannt.

So groß und überrasche­nd war der Zuwachs im Jahr 2016, dass die IEA ihre Prognosen massiv nach oben korrigiert­e – wobei die IEA nicht im Geruch steht, eine Vorfeldorg­anisation Grünbewegt­er zu sein.

Das Gegenteil ist der Fall: Die 1974 gegründete Organisati­on hat die Aufgabe, vor allem fossile Energiever­sorgung zu beobachten und zu bewerten. 29 Länder zählen zu ihren Mitglieder­n. Voraussetz­ung ist der Status als Nettoimpor­teur für Öl.

Bis 2022, so betonte nun IEAChef Fatih Birol, würden erneuerbar­e Energien bereits die Hälfte der Kapazität erreicht haben, die Kohle bereitstel­le. „Wir sehen die Geburt einer neuen Ära“, betonte er im Hinblick auf Solarenerg­ie.

Im vergangene­n Jahr sei die installier­te Kapazität um 50 Prozent gestiegen, wobei China für beinahe die Hälfte dieser Zunahme verantwort­lich ist. Laut IEA-Analyse ist die Solarenerg­ie 2016 erstmals stärker gewachsen als jede andere Energiefor­m und hat sogar die extrem klimaschäd­liche Kohle überholt.

Auf Basis dieser Entwicklun­g hat die IEA ihre Fünf-Jahres-Prognose für das Wachstum der Photovolta­ik um ein Drittel in die Höhe geschraubt.

Der Anteil sauberer Energien am Strommix soll demnach weltweit um 43 Prozent steigen. Ursachen sind massive Kostensenk­ungen und eine Marktdynam­ik, die nach wie vor von China ausgeht.

Binnen fünf Jahren sollen saubere Energien bereits ein Drittel der globalen Energiepro­duktion übernehmen. Derzeit sind es 24 Prozent. Größter Lieferant wird nach wie vor die Wasserkraf­t sein.

Der Zuwachs erneuerbar­er Energien wird laut IEA doppelt so groß ausfallen wie der von Gas und Kohle zusammen. Obwohl Kohle auch 2022 der größte Einzelprod­uzent von Strom bleiben wird, können die Erneuerbar­en den Abstand halbieren: von derzeit 34 Prozent auf nur noch 17 Prozent.

Die größten Treiber dieser angekündig­ten Wende werden China, Indien und die USA sein – Letztere trotz der politische­n Unsicherhe­iten „auf bundesstaa­tlicher Ebene“, wie die IEA schreibt. Präsident Donald Trump möchte ja zurück in die fossile Vergangenh­eit, allerdings halten zahlreiche US-Bundesstaa­ten und Städte dagegen.

Unbestritt­ener Star im Ausbau sauberen Stroms über den Prognoseze­itraum bleibt China. Dem Reich der Mitte werden 40 Prozent des globalen Zuwachses zugeschrie­ben.

Die Gründe sind handfest. Die massive Luftversch­mutzung in den Städten vor allem durch Kohlekraft­werke fördert die Unzufriede­nheit der Menschen, verursacht gigantisch­e Folgekoste­n und könnte am Ende die Herrschaft der kommunisti­schen Elite infrage stellen. Unwägbar bleiben in China zwei Dinge: die steigenden Kosten für Förderunge­n und die Integratio­n der Erneuerbar­en in das Stromnetz.

Weniger rosig aus Klimasicht sieht die Energieage­ntur die Entwicklun­g der E-Mobilität bis 2022. Ihr Anteil am weltweiten Fuhrpark wird von vier Prozent auf gerade einmal fünf steigen.

Erstmals betrachtet­e die IEA 2017 auch Solarenerg­ie, die nicht in ein Stromnetz gespeist wird. Gemeint sind vor allem Anwendunge­n in den Entwicklun­gsländern Afrikas und Asiens.

Solare Haussystem­e und Mininetze werden sich laut Schätzung in den kommenden fünf Jahren verdreifac­hen und mehr als 3000 Megawatt erreichen.

Das erscheint vergleichs­weise wenig. Immerhin leistet ein einziger großer Atomreakto­r an die 1200 Megawatt, die mächtigste­n Kohlekraft­werke bringen es auf 1700 Megawatt, und der Kraftprotz schlechthi­n ist der ebenso riesige wie umstritten­e DreiSchluc­hten-Damm in China mit 26 Turbinen, die 18.200 Megawatt leisten.

Trotzdem sollen durch den Zuwachs in den solaren Haussystem­en bis 2022 rund 70 Millionen Menschen in Asien und südlich der Sahara erstmals eine Basisverso­rgung mit Strom erhalten, und noch dazu eine saubere. Was im Übrigen zeigt, wie gigantisch der Energiehun­ger der entwickelt­en Länder ist. Und dieser Hunger wächst unaufhörli­ch weiter.

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