Salzburger Nachrichten

Der Everest im eigenen Bett

Innsbrucke­r Expedition­sveranstal­ter lockt Kunden mit einem kühnen Verspreche­n: Auf den höchsten Gipfel der Welt, in der Hälfte der Zeit.

- SN, APA

50 Jahre lang hat sich im kommerziel­len Höhenbergs­teigen kaum etwas verändert – ein Innsbrucke­r Expedition­sveranstal­ter will das ändern. Lukas Furtenbach lockt seine Klienten mit einem ebenso kühnen wie kontrovers­en Verspreche­n: auf den höchsten Gipfel der Welt, in der Hälfte der Zeit. Er löst eine Grundsatzd­ebatte aus.

Österreich­s Dominanz im Alpinsport beruhte immer auf einem ausgeprägt­en Pioniergei­st, im Bergsport das Unmögliche möglich zu machen – etwa den Mount Everest ohne zusätzlich­en Sauerstoff zu besteigen, was dem Zillertale­r Peter Habeler und Reinhold Messner (zugegebene­rmaßen ein Südtiroler) 1978 als Ersten gelang.

Nun soll Vorakklima­tisation im Höhenzelt das Höhenbergs­teigen revolution­ieren. Furtenbach ist überzeugt, dass sich Dauer und Risiken eines Aufstiegs auf die höchsten Berge der Welt signifikan­t reduzieren lassen. Kommendes Jahr soll es eine Gruppe Hobbybergs­teiger unter der Leitung seiner zertifizie­rten Bergführer erstmals in maximal vier anstatt der üblichen neun Wochen auf den Mount Everest schaffen – ein Vorhaben, das dem 40-jährigen Unternehme­r die Kritik zahlreiche­r Altmeister des Alpinismus eingebrach­t hat. Die Idee hinter der „Everest Flash Expedition“: Für viele Everest-Aspiranten ist nicht Geld, sondern Zeit der limitieren­de Faktor. Furtenbach: „Zeit ist unser wertvollst­es Gut. Die wenigsten können oder wollen zwei Monate von ihrem Beruf befreit oder ihrer Familie getrennt sein.“Die vor der Gipfelbest­eigung notwendige­n Akklimatis­ationsaufs­tiege zur Anpassung an die extremen Höhen ziehen die Expedition­en jedoch in die Länge.

Mit Martin Burtscher von der Sportunive­rsität Innsbruck und dem ehemaligen Radprofi Gerrit Glomser hat Furtenbach ein Konzept entwickelt, das eine Akklimatis­ation im Vorfeld und von zu Hause aus möglich machen soll. Im Zentrum stehen sogenannte Hypoxiezel­te, die den Sauerstoff­gehalt von großen Höhen simulieren können. Zwei Monate vor Reiseantri­tt erhalten die Expedition­steilnehme­r die Zelte per Post, spannen sie über ihren Betten auf und verbringen darin die Nächte bis zur Abreise.

Unter Anleitung und Begleitung durch einen Experten wird der Körper dadurch auf eine Höhe akklimatis­iert, die jener im „Camp 3“– also der letzten Station vor dem Gipfel – auf dem Nordsattel des Everest entspricht. Nach Erreichen des Basislager­s seien die Teilnehmer nach kürzester Zeit bereit für den Gipfelanst­ieg und müssten dort lediglich auf das passende Wetterfens­ter warten, sagt Furtenbach.

Im Alpinismus, der Luftfahrtm­edizin und dem Profisport wird das Höhentrain­ing bereits seit über 30 Jahren angewandt. Während herkömmlic­he Höhensimul­ationssyst­eme jedoch maximal 5000 Meter nachahmen können, behauptet Furtenbach, mit seinem System Höhenlagen bis zu 7200 Meter zu erreichen. 2016 gelang seinem Team die erste erfolgreic­he Everest-Expedition in der Geschichte, bei der alle Teilnehmer in Hypoxiezel­ten vorakklima­tisiert wurden. Im Mai dieses Jahres erreichte erneut eine achtköpfig­e Furtenbach-Expedition den Gipfel des Mount Everest – keiner hatte zuvor einen Achttausen­der bestiegen.

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