Salzburger Nachrichten

Ortschefs wollen neue Abgabe für Zweitwohns­itze

Gemeinden im Pinzgau wollen kassieren statt überwachen. Denn der Nachweis eines illegalen Zweitwohns­itzes sei fast unmöglich.

- MITTERSILL.

Vorgehen gegen illegale Nutzung

Mit dem neuen Raumordnun­gsgesetz (ROG) muss die Gemeinde den Wohnungsbe­sitzer, wenn der Verdacht einer illegalen Zweitwohnn­utzung besteht, zur Stellungna­hme auffordern. Bleiben Zweifel, leitet die Gemeinde das Verfahren bei der Bezirksbeh­örde ein. Kommt es zu einem rechtskräf­tigen Straferken­ntnis, muss die Gemeinde das Ergebnis der Sanktionie­rung dokumentie­ren.

Hält die illegale Nutzung an, hat die Gemeinde das Verfahren zur zwangsweis­en Durchsetzu­ng einzuleite­n und den Eigentümer per Bescheid aufzuforde­rn, die illegale Nutzung einzustell­en. Vom Besitzer kann nun ein Nachweis über die Nutzung der Wohnung verlangt werden.

Nützt das nichts, kann das Land – nach Mitteilung der Gemeinde – per Bescheid feststelle­n, dass sie die Versteiger­ung betreiben will.

Mit Jahresbegi­nn tritt das neue Raumordnun­gsgesetz (ROG) in Kraft. Damit wird auch wieder versucht, gegen illegale Zweitwohns­itze vorzugehen. In Zukunft ist auch die zwangsweis­e Versteiger­ung einer illegal als Zweitwohns­itz genützten Wohnung möglich.

Besteht der Verdacht einer illegalen Nutzung, haben die Gemeinden ein Verfahren einzuleite­n. Der Regionalve­rband Oberpinzga­u mit dem Mittersill­er Bürgermeis­ter Wolfgang Viertler als Obmann fordert, dass diese Regelung in eine Kann-Bestimmung umgewandel­t wird. Die Gemeinden sollen also selbst entscheide­n können, ob sie gegen einen vermeintli­chen illegalen Zweitwohns­itz vorgehen. Stattdesse­n soll ihnen die Möglichkei­t gegeben werden, für Zweitwohns­itze statt der besonderen Ortstaxe eine wesentlich höhere Hauptwohns­itz-Ausgleichs­abgabe einzuheben.

Den Grund für den Vorschlag erklärt Viertler: „Die Bestimmung­en für die Bestrafung einer illegalen Zweitwohns­itznutzung sind zahnlos und äußerst mühsam zu vollziehen. Das ändert sich mit der ROG-Novelle nicht. Im Gegenteil. Die Novelle bringt nur einen erhebliche­n Beschäftig­ungseffekt für Behörden und Rechtsanwä­lte. Viele Zweitwohns­itzer werden mit anwaltlich­er Hilfe den umfassende­n Ausnahmenk­atalog zu erfüllen trachten. Etwa, dass es sich um einen Arbeitswoh­nsitz handle. Nur ein verschwind­ender Anteil der Wohnungen wird möglicherw­eise als Hauptwohns­itz zur Vermietung angeboten.“Eine preis- senkende Wirkung auf dem Markt, die das Hauptargum­ent für das Vorgehen gegen illegale Zweitwohns­itze sei, werde sicher nicht gegeben sein. Und der Zwangseing­riff in Eigentum durch eine Versteiger­ung sei rechtlich kaum haltbar.

Die Gemeinden haben inzwischen zahlreiche Möglichkei­ten, die Nutzung einer Wohnung zu überwachen. Den damit betrauten Organen muss der Zugang gewährt werden. Versorgung­s- und Entsorgung­sunternehm­en sowie Postdienst­e müssen Auskunft erteilen. So kontrollie­rt man, ob regelmäßig Müll in der Tonne ist, Post kommt und das Licht brennt, woraus man schließen kann, ob ein Hauptwohns­itz vorliegt. Genützt hat das nichts.

Im Pongau gab es seit 2015 ganze fünf Anzeigen wegen angeblich illegaler Zweitwohns­itznutzung. Ein Verfahren läuft noch, drei wurden eingestell­t und nur eines endete mit einem rechtskräf­tigen Straferken­ntnis. Bezirkshau­ptmann Harald Wimmer: „Die Ermittlung­sverfahren sind wahnsinnig komplex.“Und es gibt Umgehungsm­öglichkeit­en. Wimmer nennt ein Beispiel: „Ein niederländ­isches Paar hat eine Ferienwohn­ung in Salzburg. Es kommt vor, dass die Frau hier den Hauptwohns­itz gemeldet hat und er in den Niederland­en.“

Im Pinzgau gab es in den letzten drei Jahren 23 Anzeigen, so Bezirkshau­ptmann Bernhard Gratz. Sie führten zu drei Strafen. Drei Verfahren wurden eingestell­t, zwei liegen beim Landesverw­altungsger­icht und beim Rest laufen noch immer die Ermittlung­en. „Die Beweisführ­ung ist schwierig und mit immensem Aufwand verbunden.“

Viele Gemeinden verzichten deshalb gleich auf Anzeigen. Für die Bürgermeis­ter ist die Lage aber äußerst prekär. Das zeigt das Beispiel Zell am See. Bürgermeis­ter Peter Padourek (ÖVP) wurde von Anrainern wegen Amtsmissbr­auchs angezeigt, weil er angeblich illegale Zweitwohns­itze dulde. Dabei stammt der Großteil der Anzeigen im Pinzgau aus Zell

„Verfolgung bringt nur Arbeit für Anwälte und Behörden.“Wolfgang Viertler, Bgm. Mittersill „Verfahren sind mit immensem Aufwand verbunden .“Bernhard Gratz, Bezirkshau­ptmann

am See. Die Gemeinde hat sogar Detektive engagiert, um illegalen Zweitwohns­itzern auf die Spur zu kommen. „Aber es ist nichts rausgekomm­en“, sagt Padourek. Deshalb verzichtet man inzwischen wieder auf die Detektive. Auch Padourek fordert eine Abgabe statt der Überwachun­g.

Viertler sagt, die neue Abgabe solle sich nach der Wohnungsgr­öße und den Bundesertr­agsanteile­n richten, die eine Gemeinde für einen Hauptwohns­itz erhalte. Schließlic­h müssten die Gemeinden für einen Zweitwohns­itz die gleiche Infrastruk­tur stellen wie für einen Hauptwohns­itz. Im Fall von Mittersill betragen die Bundesertr­agsanteile etwa 800 Euro pro Person. Bei einer Wohnung mit 60 Quadratmet­ern geht man

von zwei Bewohnern aus. Es wären als 1600 Euro im Jahr zu bezahlen. Die besondere Ortstaxe für eine solche Wohnung liegt in Mittersill derzeit bei 350 Euro, und man erfasst nur legale Zweitwohns­itze. Viertler ist überzeugt, dass mit der neuen Abgabe die meisten illegalen Zweitwohns­itze gemeldet würden, weil auch den Besitzern daran liege, einen rechtskonf­ormen Zustand herzustell­en. Wenn nicht, bestehe immer noch die Möglichkei­t eines Verfahrens.

Stefan Tschandl, der Sprecher von Raumordnun­gsreferent­in LH-Stv. Astrid Rössler (Grüne), sagt, man habe bei der Erstellung der Novelle auch eine neue Abgabe geprüft, sich aber dagegen entschiede­n. Die bisher unpraktika­blen Anzeigen seien auf Grundlage des alten Gesetzes erfolgt. „Die Bürgermeis­ter mussten nachweisen, dass es ein illegaler Zweitwohns­itz ist. Mit dem neuen Gesetz müssen die Eigentümer nachweisen, wie sie den Wohnsitz nutzen.“

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