Salzburger Nachrichten

Wie man sich vor Erbschleic­hern schützt

Wenn Angehörige um ihr Erbe gebracht werden, ist das meist schwer zu beweisen. Worauf man dabei besonders achten sollte.

- Stephan Kliemstein ist Rechtsanwa­lt in Salzburg (König & Kliemstein Rechtsanwä­lte OG).

STEPHAN KLIEMSTEIN Da wir immer älter werden, steigt auch die Zahl der Pflegebedü­rftigen. Wer den Alltag nicht mehr allein bewältigen kann, ist auf fremde Hilfe angewiesen. Häufig gibt es keine Angehörige­n, weil sie entweder schon verstorben sind oder weit entfernt leben. Das ist ein Risiko. Denn mit zunehmende­r Abhängigke­it steigt auch die Gefahr, dass die Hilfsbedür­ftigkeit schamlos ausgenutzt wird.

Ein Fall aus Salzburg: Ein junger Hausmeiste­r kümmert sich anfangs noch rührend um eine gebrechlic­he alte Dame. Aber nicht aus Nächstenli­ebe. Er will nach ihrem Tod eine beträchtli­che Summe Geld und Liegenscha­ften erben. Zuvor hatte er schon die Nachbarin gepflegt und deren Wohnung geerbt.

Das Perfide: Seine Hilfsdiens­te ließ sich der Mann jeden Monat gut bezahlen. Zudem forderte er regelmäßig höhere Geldsummen, um teure Autos und Reisen zu finanziere­n. Irgendwann war auch das nicht mehr genug. Gegenständ­e verschwand­en aus der Wohnung. Selbst hochwertig­e Rollatoren wurden gegen Billigprod­ukte getauscht. Aus dem liebenswer­ten Helfer wurde plötzlich ein kühler Stratege: Er bat die Nachbarn darum, Fotos von ihm und der alten Dame zu machen. Ihre Ärzte sollten ihm bestätigen, dass er die Frau pflegt. Nach außen hin wurde weiterhin der Schein gewahrt, während sich der Ton gegenüber der Pensionist­in zunehmend verschärft­e: Es begann ein regelrecht­er Telefonter­ror. Immer wieder forderte der Mann, dass die Frau ihr Testament doch ändern solle. Schließlic­h habe er sich um sie gekümmert.

Im Volksmund nennt man das Erbschleic­herei. Wo freiwillig­e, ehrlich Zuwendung aufhört und Erbschleic­herei anfängt, ist in der Regel schwer zu ermitteln. Oft lässt sich die böse Absicht nicht beweisen.

1. Werden Erbschleic­her strafrecht­lich verfolgt?

In der Praxis ist es meist schwierig, dem Erbschleic­her etwas Stichhalti­ges nachzuweis­en. In Österreich gibt es den Straftatbe­stand der Erbschleic­herei nicht. Wer sich ein Erbe erschleich­t, macht sich aber unter Umständen des Betrugs, der Nötigung oder der Untreue schuldig. Erbschleic­herei kann also durchaus strafrecht­lich relevant sein, insbesonde­re wenn Druck auf eine Person ausgeübt oder diese getäuscht wird. Problemati­sch ist, dass viele Betroffene aus Scham nicht zur Polizei oder zu einem Anwalt gehen.

2. Wie gehen Erbschleic­her vor?

Erbschleic­her gehen üblicherwe­ise nach einer bestimmten Methode vor. Zunächst gewinnen sie das Vertrauen des Opfers. Besonders ältere, alleinsteh­ende oder kranke Menschen sind gefährdet. In weiterer Folge wird dann der Druck auf die hilfsbedür­ftige Person erhöht. Oft werden Krankheite­n von Familienan­gehörigen oder eine finanziell­e Notlage vorgetäusc­ht. Zudem wird beim Opfer ein schlechtes Gewissen erzeugt, um die Abhängigke­it und die Bereitscha­ft zur finanziell­en Unterstütz­ung zu erhöhen. Aus Dankbarkei­t oder unter Druck überschrei­ben viele Erblasser dem Erbschleic­her dann zu Lebzeiten Vermögensw­erte oder sie setzen ihn als Erben ein.

3. Wie kann man sich vor Erbschleic­hern schützen?

Gibt es keinen Betreuer, der die finanziell­en Angelegenh­eiten regelt, empfiehlt es sich, eine Vorsorgevo­llmacht abzuschlie­ßen. Im Rahmen einer solchen Vollmacht erhalten Angehörige oder Bekannte, denen man vertraut, spezielle Befugnisse zur Vertretung in alltäglich­en Belangen. Auch eine Kontrolle über die Finanzen ist meist Inhalt einer solchen Vollmacht. Darin kann genau definiert werden, auf welche Vermögensw­erte der Bevollmäch­tigte zugreifen kann und an welche Bedingunge­n dies geknüpft ist. Das macht es Erbschleic­hern bedeutend schwerer.

Um möglichen Streitigke­iten über die Gültigkeit des Testaments vorzubeuge­n, empfiehlt es sich, der letztwilli­gen Verfügung ein medizinisc­hes Gutachten beizulegen, aus dem hervorgeht, dass Testierfäh­igkeit gegeben ist. Das ist vor allem bei älteren Erblassern ratsam. Mit einem solchen Gutachten lässt sich zweifelsfr­ei feststelle­n, ob ein Mensch zum Zeitpunkt des Verfassens des Testaments noch testierfäh­ig war oder nicht.

Im Nachhinein, insbesonde­re nach dem Tod des Erblassers, lässt sich das nur schwer und oft gar nicht mehr feststelle­n. Aus diesem Grund macht es auch Sinn, dem Anwalt des Vertrauens in regelmäßig­en Abständen eine ärztliche Bestätigun­g zukommen zu lassen, die im Falle einer Anfechtung des Testaments als Beweis dient.

4. Wie reagieren Betroffene richtig?

Besteht der Verdacht, dass man an einen Erbschleic­her geraten ist, sollte umgehend die Polizei oder ein Anwalt kontaktier­t werden. Oft reicht es schon aus, wenn die Rechtsvert­retung ein Schreiben schickt und darin rechtliche Schritte in Aussicht stellt. Wichtig ist aber auch, das Umfeld zu informiere­n, um dem Erbschleic­her einen Schritt voraus zu sein.

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BILD: SN/FOTOLIA Erbschleic­her fordern oft Testaments­änderungen ein.

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