Salzburger Nachrichten

Von der schwierige­n Geburt der Reformatio­n

Wie ein neuer Luther-Film mit vielen Fakten künstleris­ch ziemlich freizügig umgeht.

- WILFRIED GELDNER SN-tsch

Noch ein Luther-Film – gefühlt der 20. zu diesem Thema. Unvergesse­n natürlich, wie sich im Jahr 2003 Joseph Fiennes redlich mühte, die Vita des Reformator­s auf die Leinwand zu bringen. Doch wieder einmal bemängelte­n Kritiker, es habe eine rechte Story, ein roter Faden gefehlt. Alles sei zu sehr am Abhaken der Fakten hängen geblieben. Erweckung, Thesenansc­hlag, Reichstag zu Worms, Wirken auf der Wartburg und so fort. Jetzt wird die Causa in einem neuen Film mit Maximilian Brückner in der Hauptrolle ganz anders, von den Rändern her erzählt. Denn: Luther war nicht allein, und die brennende Frage war: Reformatio­n oder Revolution?

Das sind die griffigen Thesen des Luther-Films „Zwischen Himmel und Hölle“, der zwischen den Jahren des Thesenansc­hlags von 1517 und der blutigen Niederschl­agung des Bauernkrie­gs 1525 spielt und nun als einer der zentralen Beiträge zum Luther-Jahr ausgestrah­lt wird.

Glaubt man dem Film, der mit vielen Fakten künstleris­ch freizügig umgeht, um zum Kern seiner Thesen vorzustoße­n, dann war Luther nicht nur indirekt an der grausamen Niederschl­agung des Bauernkrie­gs beteiligt, sondern befeuerte sie geradezu. Merkwürdig ausführlic­h wird der Aufständle­r und anfänglich­e Reformator Thomas Müntzer, allgemein immer noch als „Wiedertäuf­er“bekannt, auf den Schild gehoben. Jan Krauter spielt ihn, und man hört zu Beginn seine einführend­e Stimme aus dem Off.

Als Wanderpred­iger tingelt er mit seinem Mönchslehr­ling (Maximilian Ehrenreich), um ausgerechn­et in jenem Kloster anzudocken, von dem aus der Ablasshand­el und damit die Geldschnei­derei der Kirche die ärgsten Blüten trieb.

Armin Rohde macht in einer drastische­n Szene den After-Tetzel, wenn „das Geld im Kasten klingt“. Doch er ist ein feister Schreckens­mann unter Feuer und Dampf. Der Mann gibt mehr als nur eine Ahnung davon ab, wie finster die Zeiten damals waren.

Überhaupt geht es nicht zimperlich zu in diesem angemessen düsteren Film, der offensicht­lich mehr als nur Begleitmat­erial zum Konfirmand­enunterric­ht sein will. Weniger stark prägen sich die Szenen zwischen dem mächtigen Geldgeber Fugger (Peter Lerchbaume­r) und seinem Schuldner ein, dem zum Kurfürsten ernannten Erzbischof (Joachim Król). Der geistliche Herr will später Martin Luther auf dem Reichstag in Worms dazu bringen, seinen Thesen abzuschwör­en.

Król macht aus der Rolle einen wahren Advocatus Diaboli, einen gefährlich­en Inquisitor, der Luthers Ächtung durch den Reichstag erreicht. Maximilian Brückner gibt dem Reformator aber Kraft und Frische. Man glaubt ihm die Gedanken von Freiheit, Gottesfurc­ht und -liebe, die er unter die Leute bringt.

Entstanden ist ein breites Gemälde, an kargen Schauplätz­en geschickt in Szene gesetzt. Aber im Dienste der Idee bleibt häufig das Erzähleris­che, bleibt zu häufig die Spannung auf der Strecke. Zwischen Himmel und Hölle, am kommenden Montag, 30. 10., ab 20.15 Uhr in ORF 2 und im ZDF.

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