Beim „Blind Date“trifft man auch Bekannte
Mit Gratiskonzerten will das Festival Jazz & the City neue Beziehungen zwischen Musik und Publikum anbahnen.
SALZBURG. Und bei näherem Kennenlernen ist große Liebe ja keineswegs ausgeschlossen: Mit dem Gedanken im Hinterkopf beginnen viele Blind Dates. Ein ähnlicher Gedanke schwingt auch im Salzburger Festival Jazz & the City mit – wo im regulären Programm eine Reihe namens „Blind Date“Überraschungskonzerte verspricht. Auch davon abgesehen wird Jazz von der breiten Masse gern als Kunst mit vielen Unbekannten betrachtet. Mit 100 Konzerten bei freiem Eintritt will das bis morgen, Sonntag, dauernde Festival auch in seiner 18. Ausgabe die Kontaktwahrscheinlichkeiten in der Innenstadt erhöhen.
Wie schnell sich bei unterschiedlichen Persönlichkeiten eine Basis für gemeinsames Glück findet, lässt sich ja am besten an der Musik selbst überprüfen: etwa, wenn das schweizerisch-italienisch-finnische Projekt A Novel of Anomaly auf der Bühne steht. Eine schneidige E-Gitarre harmoniert da unverhofft mit einem seufzenden Akkordeon. Das Schlagzeug leistet geschickte Vermittlungsarbeit, und eine akrobatisch-elastische Stimme nutzt die Freiräume mit Finesse. Unbekannte der improvisierten Musik sind freilich weder Vokalist Andreas Schaerer, noch Drummer Lucas Niggli, Akkordeonist Luciano Biondini oder Gitarrist Kalle Kalima, der im heurigen Festival in diversen Konstellationen auftritt. Im Programm sind viele Bekannte anzutreffen, auf teure Legenden wurde heuer zugunsten einer Verbreiterung des Angebots verzichtet.
Bei der Dichte des Angebots, das Intendantin Tina Heine und Inga Horny als Geschäftsführerin des Altstadtverbandes auf die Beine gestellt haben, lautet die Devise manchmal eher Speed Date als Blind Date: Zu versäumen gibt es immer etwas. „Gehen Sie ruhig. Ich ermutige Sie, zu all den anderen Konzerten zu gehen!“, sagte etwa Songschreiber Jeff Taylor am Don- nerstag in der Galerie Frey treuherzig. Das Publikum dankte dem Musiker seine Selbstlosigkeit sowie seine intensiven Solo-Balladen – und blieb, auch wenn im republic bereits das Tingvall Trio begonnen hatte, das mit virtuos gespielter, leicht konsumierbarer Musik ein Pop-Phänomen im Jazz darstellt. „Jetzt spielen wir unsere Megahits“, witzelte Pianist Martin Tingvall.
Wem Samtigkeit ohne Aufbegegehren zu geradlinig war, der ging zum Treffen mit einem Herrn, bei dem unter Anzug und Krawatte ein Revoluzzerherz schlägt: A Velvet Revolution heißt das jüngste Projekt von Saxofonist Daniel Erdmann mit Geiger Théo Ceccaldi und Vibrafonist Jim Hart. So intensiv ist das Spiel des Trios, so leidenschaftlich der Zugriff auf die Jazzgeschichte, dass man das Gefühl hat, selbst vertraute Sounds eben frisch kennengelernt zu haben. Festival: