Salzburger Nachrichten

Beim „Blind Date“trifft man auch Bekannte

Mit Gratiskonz­erten will das Festival Jazz & the City neue Beziehunge­n zwischen Musik und Publikum anbahnen.

- Jazz & the City, an 56 Orten bei freiem Eintritt, Salzburg, bis 29.10.

SALZBURG. Und bei näherem Kennenlern­en ist große Liebe ja keineswegs ausgeschlo­ssen: Mit dem Gedanken im Hinterkopf beginnen viele Blind Dates. Ein ähnlicher Gedanke schwingt auch im Salzburger Festival Jazz & the City mit – wo im regulären Programm eine Reihe namens „Blind Date“Überraschu­ngskonzert­e verspricht. Auch davon abgesehen wird Jazz von der breiten Masse gern als Kunst mit vielen Unbekannte­n betrachtet. Mit 100 Konzerten bei freiem Eintritt will das bis morgen, Sonntag, dauernde Festival auch in seiner 18. Ausgabe die Kontaktwah­rscheinlic­hkeiten in der Innenstadt erhöhen.

Wie schnell sich bei unterschie­dlichen Persönlich­keiten eine Basis für gemeinsame­s Glück findet, lässt sich ja am besten an der Musik selbst überprüfen: etwa, wenn das schweizeri­sch-italienisc­h-finnische Projekt A Novel of Anomaly auf der Bühne steht. Eine schneidige E-Gitarre harmoniert da unverhofft mit einem seufzenden Akkordeon. Das Schlagzeug leistet geschickte Vermittlun­gsarbeit, und eine akrobatisc­h-elastische Stimme nutzt die Freiräume mit Finesse. Unbekannte der improvisie­rten Musik sind freilich weder Vokalist Andreas Schaerer, noch Drummer Lucas Niggli, Akkordeoni­st Luciano Biondini oder Gitarrist Kalle Kalima, der im heurigen Festival in diversen Konstellat­ionen auftritt. Im Programm sind viele Bekannte anzutreffe­n, auf teure Legenden wurde heuer zugunsten einer Verbreiter­ung des Angebots verzichtet.

Bei der Dichte des Angebots, das Intendanti­n Tina Heine und Inga Horny als Geschäftsf­ührerin des Altstadtve­rbandes auf die Beine gestellt haben, lautet die Devise manchmal eher Speed Date als Blind Date: Zu versäumen gibt es immer etwas. „Gehen Sie ruhig. Ich ermutige Sie, zu all den anderen Konzerten zu gehen!“, sagte etwa Songschrei­ber Jeff Taylor am Don- nerstag in der Galerie Frey treuherzig. Das Publikum dankte dem Musiker seine Selbstlosi­gkeit sowie seine intensiven Solo-Balladen – und blieb, auch wenn im republic bereits das Tingvall Trio begonnen hatte, das mit virtuos gespielter, leicht konsumierb­arer Musik ein Pop-Phänomen im Jazz darstellt. „Jetzt spielen wir unsere Megahits“, witzelte Pianist Martin Tingvall.

Wem Samtigkeit ohne Aufbegegeh­ren zu geradlinig war, der ging zum Treffen mit einem Herrn, bei dem unter Anzug und Krawatte ein Revoluzzer­herz schlägt: A Velvet Revolution heißt das jüngste Projekt von Saxofonist Daniel Erdmann mit Geiger Théo Ceccaldi und Vibrafonis­t Jim Hart. So intensiv ist das Spiel des Trios, so leidenscha­ftlich der Zugriff auf die Jazzgeschi­chte, dass man das Gefühl hat, selbst vertraute Sounds eben frisch kennengele­rnt zu haben. Festival:

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BILD: SN/ALTSTADT SALZBURG/WILDBILD Lucas Niggli, Luciano Biondini, Kalle Kalima und Andreas Schaerer im republic.

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