Von kernrot bis angelobungsschwarz
Das Heeresgeschichtliche Museum in Wien hütet in einer abgedunkelten Kammer einen Schatz: das vermutlich letzte Exemplar des „Farbenkastls“der k. u. k. Armee. Das ist ein Karton mit rund zwei Dutzend Filzstückchen in den verschiedensten Farben, womit es folgende Bewandtnis hat.
Während die französische Armee ihre Soldaten durch Nummern auf dem Kragen als Angehörige dieses oder jenes Regiments kenntlich machte, tat Österreich-Ungarn dies durch Farben. Jedes Regiment hatte eine eigene Regimentsfarbe am Kragen. Und da die kaiserliche Armee jede Menge Regimenter hatte, gab es auch jede Menge Farben. Grün war nicht einfach grün, sondern entweder apfelgrün, grasgrün, stahlgrün, papageigrün, meergrün oder meergrasgrün. Kurz gesagt: Es gab damals fast mehr Grün als Grünwähler am vorvergangenen Sonntag.
Trotzdem reichten die Farben für die zuletzt 102 Regimenter nicht aus, denn 102 Farbschattierungen fielen den damaligen Armeegewaltigen einfach nicht ein. Also führten sie weitere Unterscheidungsmerkmale ein, nämlich weiße oder gelbe Uniformknöpfe und normale oder ungarische Hosen.
Dadurch stiegen die Möglichkeiten ins Aschgraue. Ein Soldat mit Aschgrau oder Schwefelgelb als Kragenfarbe (nicht zu verwechseln mit Hechtgrau oder Kaisergelb) konnte somit vier verschiedenen Regimentern angehören. Je nach Knopffarbe und Hosenmodell.
Ob bei diesem grenzgenialen System irgendwer wirklich durchblickte, ist unbekannt. Wer kann schon krapprot von krebsrot unterscheiden? Oder rosenrot von kirschenrot? Ganz zu schweigen von karmesinrot und amarantrot.
Das ist ungefähr so schwierig auseinanderzuhalten wie die momentanen Schattierungen in der SPÖ. Da gibt es ja auch die Blauroten, die Schwarzroten, die Oppositionsroten und in Wien die Häuplroten, die Ludwigroten, die Braunerroten, die Schiederroten sowie seit Neuestem angeblich auch die Rendiwagnerroten. – Wer soll da noch durchblicken? Und wo sind eigentlich die Kernroten (Knopffarbe: Silberstein)?
Völlig einfallslos sind farblich gesehen die anderen Parteien. Um aufbrechende Bewegung bzw. bewegenden Aufbruch zu signalisieren, hat sich die ÖVP zwar eine neue Parteifarbe zugelegt. Aber was hat sie gewählt? Ein schlappes Türkis. Warum nicht ein kurzwelliges Aufbruchsschwarz? Oder ein bewegungsintensives Mitternachtsblau, passend zum künftigen Koalitionspartner? Nein, Türkis musste es sein. Klingt wie eine Farbe mit Migrationshintergrund. Die k. u. k. Armee hätte wenigstens Papageigrün dazu gesagt.
Der Partei des Exgrünen (auch eine interessante Farbschöpfung: exgrün) Peter Pilz ist überhaupt keine Parteifarbe eingefallen. Man sei transparent, hieß es, also durchsichtig. Aber was ist das für ein Zustand? Da nimmt man doch automatisch die Farbe des jeweiligen Hintergrundes an, die durch einen hindurchscheint. Verwirrend.
In der farbenfrohen Monarchie hätten die Pilz’schen Abgeordnetenregimenter ein samtiges Steinpilzkappenbraun als Regimentsfarbe zugeteilt bekommen. Oder ein freundlich strahlendes Lungauer Eierschwammerlgelb (im klaren Unterschied zum alarmierenden Straßenmittelstreifengelb). Aber nein, transparent musste es sein.
Dafür – das muss man ihm lassen – ist Pilz der Einzige, der sich nicht dem k.-u.-k.-Armee-mäßigen Uniformdiktat in der heutigen Politik beugt. Neulich besuchte er den Herrn Bundespräsidenten im noch-nicht-aller-Tage-Abendblauen Leiberl und methusalemgrauen Hosen. Während man bei allen übrigen Politikern, die im Anzug sind, nur schwarz sieht: verzweiflungsschwarz, blauschwarz oder angelobungsschwarz.