Neuwahlen in Katalonien sind der richtige Schritt
Im Dezember können die Katalanen in einer legalen Abstimmung zeigen, wo sie politisch stehen. Für Madrid ist das nicht ohne Risiko.
Nach der Entmachtung des Regionalparlaments setzte Spaniens Premier Mariano Rajoy den logischen nächsten Schritt: Er rief Neuwahlen aus. Am 21. Dezember können die Katalanen über die Zusammensetzung ihres Regionalparlaments bestimmen. Es wird jener „Tag der Entscheidung“sein, der in den vergangenen Wochen so oft angekündigt wurde.
Bislang verstrich ein Ultimatum ums andere, es wurde eine Erklärung um die andere abgegeben, ohne dass es zu einer Annäherung oder gar einer Lösung des Konflikts kam. Die katalanische Regionalregierung blieb bei ihrem Ziel Unabhängigkeit. Die Zentralregierung in Madrid blieb dabei, selbige strikt abzulehnen. Die Neuwahl im Dezember kann endlich einen Ausweg aus dieser Patt-Situation bringen.
Aus Sicht der Zentralregierung im besten Fall dadurch, dass die Gegner der Unabhängigkeit eine klare Mehrheit erlangen. Erteilen die Wähler den Separatisten in einer legalen Abstimmung eine Absage, verliert deren Forderung nach Unabhängigkeit, die auf einem laut Verfassung illegalen Referendum mit geringer Beteiligung beruht, an Gewicht. Kommen die Separatisten nicht mehr in die Regierung, ist das Problem aus Madrider Sicht bis auf Weiteres gelöst.
Garantiert ist ein solcher Wahlausgang allerdings nicht. Laut Umfragen verlieren die Separatisten zwar an Zustimmung, sie könnten im Dezember aber dennoch ein ähnliches Ergebnis erzielen wie bei der letzten Regionalwahl – und eine Regierung bilden.
Wie die Neuwahlen ausgehen werden, hängt an vielen Faktoren. Es wird davon abhängen, ob wirtschaftliche Auswirkungen der Unabhängigkeitsbestrebung merkbar werden. Es wird davon abhängen, ob es auf Barcelonas Straßen friedlich bleibt. Und nicht zuletzt wird es davon abhängen, wie stark die Frage der Unabhängigkeit mit der Frage der EU-Mitgliedschaft verknüpft wird. Für die Schotten war das bekanntlich das überzeugendste Argument.
Für Rajoy ist das Ausrufen der Neuwahlen jedenfalls nicht ohne Risiko. Bleiben die Separatisten nach der Wahl an der Macht, kann Madrid ihre Forderung nicht mehr so einfach beiseite schieben wie bisher. Der bloße Verweis auf die verfassungsmäßig garantierte Einheit Spaniens wird dann nicht genügen. Die Zentralregierung müsste mit den Katalanen, falls überhaupt noch möglich, weitreichende Autonomierechte verhandeln. Im wahrscheinlicheren und für Rajoy ungünstigsten Fall stünde dann sogar die Änderung der Verfassung zur Debatte, um ein legales Unabhängigkeitsreferendum zu ermöglichen.