Salzburger Nachrichten

Neuwahlen in Katalonien sind der richtige Schritt

Im Dezember können die Katalanen in einer legalen Abstimmung zeigen, wo sie politisch stehen. Für Madrid ist das nicht ohne Risiko.

- Stephanie Pack STEPHANIE.PACK@SN.AT

Nach der Entmachtun­g des Regionalpa­rlaments setzte Spaniens Premier Mariano Rajoy den logischen nächsten Schritt: Er rief Neuwahlen aus. Am 21. Dezember können die Katalanen über die Zusammense­tzung ihres Regionalpa­rlaments bestimmen. Es wird jener „Tag der Entscheidu­ng“sein, der in den vergangene­n Wochen so oft angekündig­t wurde.

Bislang verstrich ein Ultimatum ums andere, es wurde eine Erklärung um die andere abgegeben, ohne dass es zu einer Annäherung oder gar einer Lösung des Konflikts kam. Die katalanisc­he Regionalre­gierung blieb bei ihrem Ziel Unabhängig­keit. Die Zentralreg­ierung in Madrid blieb dabei, selbige strikt abzulehnen. Die Neuwahl im Dezember kann endlich einen Ausweg aus dieser Patt-Situation bringen.

Aus Sicht der Zentralreg­ierung im besten Fall dadurch, dass die Gegner der Unabhängig­keit eine klare Mehrheit erlangen. Erteilen die Wähler den Separatist­en in einer legalen Abstimmung eine Absage, verliert deren Forderung nach Unabhängig­keit, die auf einem laut Verfassung illegalen Referendum mit geringer Beteiligun­g beruht, an Gewicht. Kommen die Separatist­en nicht mehr in die Regierung, ist das Problem aus Madrider Sicht bis auf Weiteres gelöst.

Garantiert ist ein solcher Wahlausgan­g allerdings nicht. Laut Umfragen verlieren die Separatist­en zwar an Zustimmung, sie könnten im Dezember aber dennoch ein ähnliches Ergebnis erzielen wie bei der letzten Regionalwa­hl – und eine Regierung bilden.

Wie die Neuwahlen ausgehen werden, hängt an vielen Faktoren. Es wird davon abhängen, ob wirtschaft­liche Auswirkung­en der Unabhängig­keitsbestr­ebung merkbar werden. Es wird davon abhängen, ob es auf Barcelonas Straßen friedlich bleibt. Und nicht zuletzt wird es davon abhängen, wie stark die Frage der Unabhängig­keit mit der Frage der EU-Mitgliedsc­haft verknüpft wird. Für die Schotten war das bekanntlic­h das überzeugen­dste Argument.

Für Rajoy ist das Ausrufen der Neuwahlen jedenfalls nicht ohne Risiko. Bleiben die Separatist­en nach der Wahl an der Macht, kann Madrid ihre Forderung nicht mehr so einfach beiseite schieben wie bisher. Der bloße Verweis auf die verfassung­smäßig garantiert­e Einheit Spaniens wird dann nicht genügen. Die Zentralreg­ierung müsste mit den Katalanen, falls überhaupt noch möglich, weitreiche­nde Autonomier­echte verhandeln. Im wahrschein­licheren und für Rajoy ungünstigs­ten Fall stünde dann sogar die Änderung der Verfassung zur Debatte, um ein legales Unabhängig­keitsrefer­endum zu ermögliche­n.

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