Rot-schwarze Beschlüsse könnten umgestoßen werden
Von der Luftraumüberwachung bis zur Bildungsreform – Entscheidungen, die gerade erst gefällt wurden, stehen jetzt wieder zur Disposition.
WIEN. Wird die jüngste Bildungsreform zurückgenommen? Werden die Eurofighter doch nicht ausrangiert? – Auch um diese Fragen wird es bei den Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ gehen. Von den letzten Beschlüssen der rot-schwarzen Regierung hat die ÖVP viele nur aus Koalitionsräson mitgetragen. Mit einem anderen Koalitionspartner an ihrer Seite wird sie keine Hemmungen haben, diese Entscheidungen zu revidieren. Das gilt vor allem für eine Reform, die ÖVP-Chef Sebastian Kurz bereits im Wahlkampf als „Reförmchen“kritisiert hatte. Bildungsreform: Das kurz vor der Wahl beschlossene Schulautonomiepaket war nicht mehr als der kleinste gemeinsame Nenner von SPÖ, ÖVP und Grünen, mit dem niemand wirklich zufrieden war. Das gilt vor allem für die Konstruktion der Bildungsdirektionen als gemischte BundLänder-Behörde. Auf massive Proteste stießen auch die unter dem Titel Schulautonomie vorgenommene Streichung der Klassenschülerhöchstzahl von 25 und die Möglichkeit zur Zusammenfassung von Schulen zu „Clustern“.
ÖVP und FPÖ würden gemeinsam mit den Neos über die notwendige Zweidrittelmehrheit verfügen, um all das zu ändern. Auch bei den beschlossenen Regeln zur Einführung von Modellregionen für die Gesamtschule könnte eine neue Regierung Änderungen vornehmen. Weder ÖVP noch FPÖ sind für die Gesamtschule. Eurofighter-Aus: Im Sommer hat Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) die Stilllegung der Eurofighter ab dem Jahr 2020 und den Kauf anderer Kampfjets angekündigt. Ein neuer Verteidigungsminister ist an diese Ankündigung jedoch nicht gebunden. Sollte die FPÖ in einer neuen Regierung ihr heiß ersehntes Innenministerium erhalten, dürfte das Verteidigungsministerium übrigens nach mehr als zehn Jahren wieder an die ÖVP fallen. Sie war seinerzeit bei der Einführung der Eurofighter federführend, dürfte also wenig Neigung haben, dem Weg der SPÖ zu folgen und die Eurofighter auszurangieren. Eine Alternative wäre, die vorhandenen Eurofighter auf den modernsten technischen Stand zu bringen. Spannend wird sein, wie die neue Regierung mit der Klage weiter verfährt, die Doskozil im Alleingang gegen Eurofighter-Hersteller Airbus wegen angeblicher Täuschung eingebracht hat. Arbeiter/Angestellte: Wenige Tage vor der Wahl hat der Nationalrat mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und Grünen die arbeitsrechtliche Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten beschlossen. Die ÖVP lehnte diesen „Schnellschuss“ab und wird nun versuchen, den Beschluss noch in ihrem Sinne zu verändern. Vor allem die sechswöchige Kündi- gungsfrist für Saisonarbeiter im Tourismus, der vom aktuellen Wetter abhängig ist, war der ÖVP ein Dorn im Auge. Da diese Angleichung erst im Jahr 2021 wirksam werden soll, bleibt noch genügend Zeit für Änderungen. Uni-Finanzierung: Änderungen wird ein ÖVP-Kanzler zweifellos bei der Finanzierung der Universitäten anstreben. Im Sommer hatten SPÖ, FPÖ, Grüne und Neos eine deutliche Erhöhung der Uni-Budgets beschlossen. Zur gleichzeitigen Ausweitung der Zugangsbeschränkungen, wie sie die ÖVP und die UniRektoren unter dem Titel „Studienplatzfinanzierung“gefordert hatten, kam es nicht. Die ÖVP wird versuchen, diese Reform nun nachzureichen. Ob sie damit bei der FPÖ Gehör findet, die in Teilen gegen Zugangsbeschränkungen ist, wird man sehen. Pflegeregress: Dass die im Juni wahlkampfbedingt beschlossene Abschaffung des Pflegeregresses zurückgenommen wird, ist nicht anzunehmen, schließlich stimmte in diesem Fall auch die ÖVP mit. Allerdings werden ÖVP und FPÖ nun das notwendige Geld dafür auftreiben müssen. Die Länder haben bereits eindringlich deponiert, dass sie nicht die Kosten für einen vom Bund verfügten Schritt tragen werden. Offen ist, woher das Geld kommt: Wird umgeschichtet? Wird das Pflegewesen ernsthaft reformiert? Wird eine Pflegeversicherung eingeführt? Den Gegenfinanzierungsvorschlag der SPÖ – durch Wiedereinführung der Erbschaftssteuer – lehnten ÖVP und FPÖ bisher entschieden ab.