Indigo ist ein Material für Halbleiter
Linzer Forscher halten den Farbstoff als geeignet für Implantate in menschlichem Gewebe.
Forschern ist es gelungen, Halbleiter aus dem Farbstoff Indigo herzustellen. Das klingt zunächst etwas schräg. Doch Physiker Serdar Sarıçiftçi von der Johannes-KeplerUniversität Linz erklärt es: „Wir waren auf der Suche nach Halbleitermaterialien, die biologisch abbaubar sind. Dabei sind wir auf dieses biblische Material, das alte Indigo, gestoßen. Indigo und seine Derivate haben tatsächlich Halbleitereigenschaften.“Dass Indigo sehr widerstandsfähig ist, sei keine Überraschung gewesen: „Indigo wurde etwa in Pharaonengräbern verwendet und ist dort nach Jahrtausenden immer noch sichtbar. Und das Blau in Jeans ist bekannt für seine Widerstandsfähigkeit.“
Das Problem für die Verwendung als Halbleiter war die Verarbeitung: Indigo ist schwer löslich, was übrigens einen Grund für seine gute Haltbarkeit darstellt. Viele Methoden zur Herstellung organischer Halbleiterelemente sind aber darauf angewiesen, das verwendete Material in irgendeiner Form zu lösen und danach auf einem Trägermedium abzuscheiden. Sarıçiftçi und seiner Gruppe gelang es, flüchtige Seitengruppen an die IndigoMoleküle zu binden und sie so löslich zu machen. Beim Erhitzen auf 100 Grad spalten sich diese Gruppen wieder ab. Damit sei das wesentliche Hindernis für die Verwendung von Indigo als Halbleiter aus dem Weg geräumt, sagt Sarıçiftçi.
Lässt sich nun also der gesamte Bereich der organischen Halbleiter auf Indigo-Verbindungen umstellen? Hier ist Sarıçiftçi vorsichtiger: „Indigo hat starke Lumineszenz-löschende Eigenschaften aufgrund von Wasserstoff-Brückenbindungen.“Diese schwache Form der Bindung zwischen Molekülen, die etwa in Eis eine wichtige Rolle spielt, stört optische Anwendungen.
Solarzellen etwa funktionieren so, dass eingestrahltes Licht mit dem Material in Wechselwirkung steht, wodurch Elektronen freigesetzt werden und Strom zu fließen beginnt. In Indigo-Molekülen werden solche „angeregte“elektronische Zustände aber schnell abgebaut und in Wärme umgewandelt, bevor sie sich verwenden lassen. Sowohl Solarzellen als auch Leuchtdioden sind also mit Indigo schwierig zu realisieren.
Großes Potenzial sieht Sarıçiftçi hingegen im medizinischen Bereich. „Unsere besondere Aufmerksamkeit gilt der Biokompatibilität von Indigo-Transistoren. Wir konnten zeigen, dass sie sich sogar unter Wasser betreiben lassen, bei verschiedenen pH-Werten.“Das macht sie geeignet für Implantate in menschlichem Gewebe.
Niyazi Serdar Sarıçiftçi ist Leiter des Institute for Organic Solar Cells (LIOS) der Johannes-KeplerUniversität Linz. Er erhielt viele Auszeichnungen, unter anderem 2012 den Wittgenstein-Preis. Das Projekt wurde vom Wissenschaftsfonds FWF finanziert.