Salzburger Nachrichten

Sparefroh-Dämmerung

Selten war Sparen so unattrakti­v wie heuer. Kaum Zinsen bei hoher Inflation vernichten Kaufkraft. Hat Sparen da noch einen Sinn?

- HELMUT KRETZL

WIEN. Die Zeiten, da der Weltsparta­g am 31. Oktober sich noch nicht gegen ein Kürbisfest behaupten musste, sind vorbei. Kinder fieberten diesem Tag entgegen, fütterten noch einmal das Sparschwei­n, bevor sie es auf die nächste Bank oder Sparkasse brachten, um mit glänzenden Augen zu beobachten, wie viele Münzen und Scheine in seinem Bauch Platz gefunden hatten. Dafür wuchs das Guthaben – und als Belohnung durfte man sich noch ein Geschenk aussuchen.

Die Hochstimmu­ng von einst will sich bei vielen nicht mehr so recht einstellen, auch wenn manche Institute den Spartag zu einer „Weltsparwo­che“ausdehnen. Der Sparefroh hat nicht mehr viel zu lachen in einer Zeit, da er Zinsen mit der Lupe suchen muss. Für ein täglich fälliges Sparbuch liegt der Zinssatz zwischen 0,01 und 0,4 Prozent, zeigt ein Blick auf den Bankenrech­ner der Arbeiterka­mmern. Bei einjährige­r Bindungsda­uer kratzt der Zinssatz bestenfall­s an die Marke von einem Prozent, 0,96 Prozent bei der Anadi Bank. Doch bei einer Jahresinfl­ation von 2,4 Prozent bleibt auch hier unter dem Strich ein deutliches Minus.

Dennoch zeigen aktuelle Befragunge­n, dass sich Anlageprod­ukte wie das Sparbuch ungebroche­ner Beliebthei­t erfreuen. Auch der Weltsparta­g bleibt für Banken etwas Besonderes, sagt Christoph Paulweber, Generaldir­ektor der Salzburger Sparkasse. „Um den 31. herum haben wir fünf Mal so viel Frequenz wie an anderen starken Tagen“. Gerade Familien mit Kindern würden die Filialen besuchen, viele freuten sich auch über die Gelegenhei­t zur Kontaktauf­nahme, die mit dem Siegeszug des OnlineBank­ing stark abgenommen habe.

Sparen selbst liegt aber trotz aller Unkenrufe und scheinbar entgegen der Logik im Trend. Nach Rückgängen im Gefolge der Finanzkris­e von 2008 geben wieder mehr Menschen an, Sparen sei für sie sehr oder ziemlich wichtig. 75 Prozent österreich­weit sind es aktuell. Auch die Sparquote – der Anteil des Einkommens, den man regelmäßig zur Seite legt – stieg auf 8,4 Prozent.

Laut Nationalba­nk entfiel zur Jahresmitt­e 2017 gut ein Drittel des gesamten Geldvermög­ens privater heimischer Haushalte (638 Mrd. Euro) auf Einlagen, mit 240 Mrd. Euro mehr als alle anderen Anlageform­en wie Vorsorgepr­odukte oder Wertpapier­e. Als Begründung nennt OeNB-Direktor Johannes Turner den großen Wunsch heimischer Sparer nach Sicherheit und Verfügbark­eit, „selbst reale Erträge bei oder unterhalb der Nulllinie werden dafür in Kauf genommen“. Laut OeNB erzielten Einlagen nominell 0,28 Prozent Zinsen jährlich, Lebensvers­icherungen und Pensionska­ssenansprü­che brachten im Schnitt 4,36 Prozent Rendite.

Ist Sparen also noch sinnvoll? Ja, meint Bettina Fuhrmann von der WU Wien. Denn „Sparen ermöglicht zukünftige­n Konsum und Investitio­nen“, samt Planung und Vorsorge. Ins gleiche Horn stößt Ökonom und Ex-IHS-Chef Christian Keuschnigg. Sparziele würden ja nicht verschwind­en, auch nicht die Bedeutung eines Notgrosche­ns. Allerdings könnte sich ein Kleinspare­r schon fragen, „ob das Sparbuch wirklich die einzige Alternativ­e ist“oder ob er nicht einen Teil seines Geldes mit riskantere­n, aber besser verzinsten Anlagen ergänzen soll.

Am Donnerstag hat die Europäisch­e Zentralban­k den Sparern ein kleines, aber schönes Geschenk gemacht. Ihr Beschluss, die monatliche­n Anleihenkä­ufe von 60 Mrd. Euro ab 2018 auf 30 Mrd. Euro zu drosseln, gilt als erster Schritt der Abkehr von der expansiven Geldpoliti­k. Vorerst bleiben die Leitzinsen zwar weiter bei null, aber ein Ende dieser Periode scheint in Sicht. Dann könnte das Geld am Sparbuch eines Tages nach einem Jahr gleich viel oder mehr wert sein als heute.

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BILD: SN/APA Die Sparefrohs werben einsam in der Wiener Innenstadt.

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