Salzburger Nachrichten

In Österreich ist aktive Sterbehilf­e weiterhin strafbar

Auch der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte vertritt in seinen Erkenntnis­sen einen klaren Standpunkt.

- JANKO FERK Janko Ferk ist Richter des Landesgeri­chts Klagenfurt und Honorarpro­fessor an der Alpen-Adria-Universitä­t Klagenfurt.

Die Euthanasie­debatte wird in Europa mehr oder weniger laut geführt. In einigen Ländern, wie in Belgien oder den Niederland­en, ist sie zum Teil abgeschlos­sen.

In den Niederland­en sind die Tötung auf Verlangen und der ärztlich assistiert­e Suizid zwar rechtswidr­ig. Die Sterbehilf­e kann aber unter Berücksich­tigung des „Gesetzes über die Kontrolle der Lebensbeen­digung auf Verlangen und der Hilfe bei der Selbsttötu­ng“seit dem Jahr 2001 straflos bleiben, wenn bestimmte Sorgfalts- und Meldekrite­rien eingehalte­n werden. So muss beispielsw­eise das Verlangen des Patienten freiwillig sowie nach reiflicher Überlegung und Aufklärung erfolgen. Der Zustand muss aussichtsl­os und das Leiden unerträgli­ch sein. Mindestens zwei Ärzte haben das unabhängig voneinande­r zu bestätigen. In Österreich zeichnet sich eine vergleichb­are Regelung bisher jedenfalls nicht ab.

Zum Thema Sterbehilf­e wird auch der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte immer wieder angerufen. Der Fall Pretty gegen Großbritan­nien, den der Gerichtsho­f im Jahr 2002 entschiede­n hat, ist noch in Erinnerung. Damals wurde erkannt, dass die Pflicht des Staats, Leben zu schützen, nicht in ein Recht des Individuum­s zu sterben uminterpre­tiert werden könne. Mit einer Entscheidu­ng vom 20. Jänner 2011 hat der Gerichtsho­f eigens bekräftigt, dass die Staaten nicht dazu verpflicht­et seien, Sterbehilf­e zuzulassen.

Die Straßburge­r Richter haben auch die Beschwerde eines Schweizers abgewiesen, der wegen einer psychische­n Erkrankung sein Leben beenden wollte. Er sah es als menschenre­chtswidrig an, dass es ihm in der Schweiz verweigert werde, sich ein bestimmtes Präparat für einen schmerzfre­ien und würdigen Tod zu besorgen. Die Richter sahen in der Verschreib­ungspflich­t für das Medikament keinen Verstoß gegen die Menschenre­chtskonven­tion.

Der Menschenre­chtsgerich­tshof hat in seinem Erkenntnis hervorgeho­ben, dass die 47 Staaten des Europarats unterschie­dliche Auffassung­en zur aktiven Sterbehilf­e hätten, was zu einem großen Ermessenss­pielraum führe. Das in der Menschenre­chtskonven­tion verankerte Recht auf Leben bedeute, dass die Staaten Regelungen treffen müssten, damit die Entscheidu­ng, das Leben zu beenden, wirklich dem freien Willen des Betroffene­n entspreche. Dem diene beispielsw­eise die Verschreib­ungspflich­t.

Bemerkt sei, dass zu den Menschenre­chten wohl die Freiheit, sich selbst zu töten, gehört, zweifellos aber nicht ein Anspruch, dabei Hilfe von einem Dritten oder vom Staat zu erhalten.

Mit der Zunahme der intensivme­dizinische­n Möglichkei­ten stellen sich auch in Österreich verstärkt Fragen nach gerechtfer­tigten Entscheidu­ngen am Lebensende. Wie weit soll Intensivme­dizin angewendet werden? Welche (nicht) überbrückb­aren Differenze­n ergeben sich aus dem Selbstbest­immungsrec­ht des Patienten und seinem Zustand am Lebensende, wenn er nicht mehr selbst entscheide­n kann? Zu welchen Maßnahmen sind Ärzte, Krankensch­western, Pfleger, Verwandte und Angehörige verpflicht­et – oder nicht?

In Österreich ist aktive Sterbehilf­e jedenfalls strafbar und fällt entweder unter den Tatbestand des Mords nach § 75 StGB, der Tötung auf Verlangen nach § 77 StGB oder der Mitwirkung am Selbstmord nach § 78 StGB. Nicht strafbar ist hingegen die passive Sterbehilf­e, das heißt, der Verzicht auf lebensverl­ängernde Maßnahmen beim Sterben, wenn ein Patient selbst dies wünscht oder diesen Wunsch mit einer gültigen Patientenv­erfügung zum Ausdruck gebracht hat. Erlaubt ist ebenso die indirekte aktive Sterbehilf­e, das sind medizinisc­he Maßnahmen, die das Leiden eines Menschen mit helfenden Mitteln zwar lindern, aber möglicherw­eise das Leben oder den Sterbeproz­ess verkürzen.

Derzeit finden in Österreich beide Intentione­n Unterstütz­er: Die einen wollen ein „selbstbest­immtes Leben und Sterben in Würde“ermögliche­n, die anderen begehren eine Stärkung des Verbots aktiver Sterbehilf­e durch Erhebung in den Verfassung­srang. Letztlich werden sich damit der Verfassung­sgerichtsh­of und wiederum der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte zu befassen haben.

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