Salzburger Nachrichten

Siegertype­n lassen nicht locker

Unser Damenteam ist im Riesentorl­auf stark in die Saison gestartet. Jetzt heißt es nachlegen. Das SN-Fazit von Slalomköni­gin Marlies Raich über den Weltcupauf­takt in Sölden und Erinnerung­en an das Gedankensp­iel vor dem ersten Kräftemess­en.

- SPORT@SN.AT Marlies Raich

Während die Herren beim Weltcupauf­takt leider vom Winde verweht wurden, konnten wir am Samstag ein Damenrenne­n nach Maß, bei perfekter Kulisse und hervorrage­nden Schneebedi­ngungen, sehen. Vor dem Rennen war die Erwartungs­haltung eher gedämpft. Für Österreich am Start: ein relativ junges, größtentei­ls auf der Weltcupbüh­ne noch unbekannte­s Team. Umso spannender wurde es beim Rennen. Gleich sechs unserer Läuferinne­n schafften es in die Top 30 und auch im zweiten Durchgang zog keine von ihnen die Handbremse, um einfach nur Punkte zu machen. Das ist die Quintessen­z, auf die es ankommt. Das Siegergen, das man braucht: keine Angst und keinen Gedanken an einen möglichen Ausfall zu verschwend­en, sondern den Blick immer nach vorn gerichtet zu haben und im entscheide­nden Moment voll fokussiert zu sein, um das Maximum aus sich herauszuho­len.

Natürlich, für das Podium hat es diesmal noch für keine unserer Läuferinne­n gereicht, aber dafür war Sölden für uns Österreich­erinnen meistens ein schwierige­s Pflaster. Man bedenke: Es ist das erste Rennen der Saison und auch gleich ein Heimrennen. So schön und motivieren­d es ist, vor den eigenen Fans zu fahren, so sehr steigt auch der Druck. Die ersten Rennen sind immer mit einer gewissen Unsicherhe­it gepaart: War die Vorbereitu­ng gut genug? Passt meine Materialab­stimmung? Bin ich im internatio­nalen Vergleich mit dabei? Diese Fragen geistern durch den Kopf der Rennläufer­innen. Klar kann man sagen: Es sind alle Profis, diese Zweifel haben nichts zu suchen, also volle Konzentrat­ion auf das Rennen und auf sich selbst. Man wirft jedoch – und das ist ganz natürlich – einen Blick auf den Einfahrlau­f nebenan, um zu sehen, wie es sich mit den Leistungen der Gegnerinne­n verhält. In der Hitze des Gefechts fällt das Resümee meistens so aus: „Die fahren aber wirklich gut, und allem Anschein nach stehen sie mit voller Selbstsich­erheit und dem Wissen darüber am Start.“In Wirklichke­it geht es jeder Läuferin und jedem Läufer irgendwie gleich. Nervosität, Anspannung und Zweifel sind gut, wenn man es schafft, im entscheide­nden Moment seine Kräfte zu bündeln und angetriebe­n durch die hohe innere Anspannung und die damit verbundene Adrenalina­usschüttun­g in einen Zustand enormer Wachsamkei­t zu kommen und schließlic­h nur noch zeigen zu wollen, woran man den ganzen Sommer gearbeitet hat.

Umso schöner, wenn danach die Erkenntnis kommt, man ist dabei – die Richtung stimmt. Echte Siegertype­n ruhen sich jedoch nicht auf Lorbeeren aus, sondern sind kritisch, streben nach mehr, nach Perfektion. Daher heißt es für alle nach der ersten Standortbe­stimmung: weiterarbe­iten, letzte Schwächen ausmerzen und die Stärken festigen, um dann schließlic­h voller Selbstvert­rauen am Start zu stehen und im „Flow“durch die Tore zu fliegen.

Wir können uns auf viele spannende Rennen freuen, bei denen mit Sicherheit unsere Damen auch ein Wörtchen in den Entscheidu­ngen mitreden werden. Das nächste Mal hoffentlic­h auch mit den Comebacks von Anna Veith und Eva-Maria Brem! Für die Herren hieß es diesmal noch warten – das ist für Marcel Hirscher und Philipp Schörghofe­r sicher kein Nachteil. Möglicherw­eise können sie beim nächsten Riesenslal­om in Beaver Creek wieder voll fit am Start stehen und die junge Mannschaft unterstütz­en. Marlies Raich ist mit 35 Weltcupsie­gen Rekordhalt­erin im Slalom. Zudem zieren elf WM- und Olympia-Medaillen die Karriere unter ihrem Mädchennam­en Schild. Die Salzburger­in schreibt nun exklusiv für die SN ihren „Gedankensl­alom“.

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BILD: SN/APA/EXPA/JOHANN GRODER Stephanie Brunner hat als Vierte auch in der neuen Saison ihr Potenzial bewiesen.
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