Auch Heilkräuter sind nicht ohne Risiken
Die Traditionelle Europäische Heilkunde (TEH) setzt auf sanfte Wirkung. Keineswegs aber gilt die Meinung „Nützt es nichts, dann schadet es nichts“.
Die Traditionelle Europäische Heilkunde (TEH) setzt auf sanfte Wirkung. Keineswegs aber gilt: „Nützt es nichts, dann schadet es nichts.“
JOSEF BRUCKMOSER Die Ernährungswissenschafterin Karin Buchart ist Geschäftsführerin des Vereins Traditionelle Europäische Heilkunde (TEH). Im SN-Gespräch zeigt sie Möglichkeiten und Grenzen der Naturheilkunde auf.
SN: Sie arbeiten intensiv an der Wiederbelebung der Traditionellen Europäischen Heilkunde (TEH). Was ist das Plus dieser Arzneien?
Buchart: Das große Plus der TEH liegt in der Nachhaltigkeit, Langsamkeit und Selbstbestimmtheit der Anwendungen. TEH-Arzneien erfordern eine intensive Auseinandersetzung mit natürlichen Wirkprinzipien und mit dem Heilwissen, das über Generationen weitergegeben wurde. Die traditionellen Anwendungen brauchen jedoch Zeit. Die Wirkungen setzen zum Teil erst nach einer bestimmten Dauer ein. Der Vorteil ist aber die Ganzheitlichkeit, weil wir nur natürliche Rohstoffe und keine isolierten Zusätze verwenden. Pflanzenwirkstoffe wirken immer am besten, wenn sie in ihren natürlichen Kontext eingebettet sind.
Eine besondere Chance dieser Erfahrungsheilkunde ist die „Selfness“, die Selbstwirksamkeit für den Patienten. Er wird in die Lage versetzt, sich selbst zu helfen, und schon das allein ist gesundheitsfördernd. Dadurch hat die traditionelle Heilkunde vor allem bei chronischen Erkrankungen auch ein enormes Einsparungspotenzial im Gesundheitssystem.
SN: Landläufig meint man bei Heilkräutern: „Nützt es nichts, dann schadet es nichts.“Welche Risiken und Nebenwirkungen sind zu beachten?
Tatsächlich werden die Risiken und Nebenwirkungen von Heilkräutern oft unterschätzt. Pflanzliche Arzneimittel können auch Schaden anrichten. Deshalb sind genaue Kenntnisse über Wirkung, Anwendung und Dosis notwendig. In einem bestimmten Dosisbereich wirkt die Heilpflanze am besten. Es gilt nicht „je mehr, desto besser“!
Nach dem Vorbild der Natur gibt es für alles eine Menge, wie es für alles eine Zeit (auch die beste Zeit zur Einnahme) gibt. Eine kritische Beurteilung traditioneller Heilmittel und Heilmethoden ist der beste Schutz vor falschen Anwendungen und unerfüllbaren Hoffnungen.
Das Ziel ist daher, dass medizinisch geschultes Personal die Heilpflanzen komplementär einsetzt. Denn dass ein Arzneimittel „natürlich, traditionell und biologisch“hergestellt wurde, bedeutet noch nicht, dass es völlig ohne Risiko ist. Allergene sind zum Beispiel völlig natürliche Inhaltsstoffe und können dennoch lebensgefährlich sein.
Ein anderes bekanntes Beispiel ist der Aderlass, der jahrhundertelang traditionell angewendet wurde und viele Menschen das Leben gekostet hat.
SN: Der Markt von komplementären oder alternativen Arzneimitteln ist unüberschaubar. Wie grenzt sich die TEH von haltlosen Heilsversprechen und Scharlatanerie ab?
Wir haben für unsere Arbeit eine wissenschaftliche, seriöse Basis. In meiner Dissertation habe ich volksheilkundliches Wissen gesammelt, in ein medizinisches Vokabular übersetzt und mit positiven Arzneipflanzenmonografien verglichen. Es gab Übereinstimmungen bei 55 Heilpflanzen zwischen dem Erfahrungswissen im Pinzgau und dem Stand der Wissenschaft. Genau diese Pflanzen sind die methodische Grundlage für den Lehrgang TEHPraktiker. Mit Heilsversprechen ist es ganz einfach: Wir geben keine.
SN: In welchem Anwendungsbereich gibt es gute Erfolge?
Das sind zunächst Wirkungen auf den Verdauungstrakt, das heißt eine Verbesserung der Schleimhautflora, eine Aktivierung des Stoffwechsels und eine entzündungshemmende Wirkung. TEH-Arzneien werden auch bei einer trägen Magentätigkeit und bei Sodbrennen eingesetzt und sie können das Milieu im Darm verbessern.
Wirkungen auf die Psyche sind unter anderem Beruhigung, Stimmungsaufhellung oder Einschlafhilfen. Dass mit Heilkräutern Husten, Schnupfen, Halsweh oder Bronchitis geheilt werden kann, ist wohl die häufigste Anwendung.
Indirekt wirken TEH-Arzneien auf alle Organsysteme gesundheitsfördernd. Denn die eingesetzten Pflanzenwirkstoffe sind einerseits antioxidativ und entzündungshemmend, auf der anderen Seite regen sie das Immunsystem an und wirken auf das Mikrobiom im Darm.