Salzburger Nachrichten

Die Irrfahrt der Jungkoalit­ionäre auf der Suche nach dem Loch

Die EZB füttert die Staaten mit billigem Geld. Was macht die neue Regierung, wenn das Morphium abgesetzt wird?

- WWW.SN.AT/BARAZON

Die frischgeba­ckenen ÖVP-FPÖ-Koalitionä­re bemühen sich um einen Kassasturz der Staatsfina­nzen. Offenbar glauben sie, in einem verwahrlos­ten Land die Herrschaft zu übernehmen. Tatsächlic­h hat der Staat Österreich eine ordentlich­e Buchhaltun­g. Auch erscheint jedes Jahr der Bundesrech­nungsabsch­luss, sodass Kassastürz­e hierzuland­e Routine sind.

So mussten die künftigen Staatslenk­er bekennen, sie würden kein Loch finden. Auch eilten die üblichen unverdächt­igen Budgetexpe­rten herbei und erklärten, dass der Staatshaus­halt derzeit in einem durchaus brauchbare­n Zustand ist.

Also nichts mit „Hoppla, jetzt kommen wir!“. Den jungen, mehr oder weniger Wilden trübt der Rausch der neuen Macht den Blick. Dieser Rausch hat es in sich: Er konzentrie­rt die Aufmerksam­keit auf den Augenblick, den man festhalten und genießen will. Nach den beglückend­en Momenten des Wahlsiegs und den hoffnungsf­rohen Koalitions­verhandlun­gen beginnt die lange oder vielleicht doch nicht so lange Zeit bis zur nächsten Wahl.

Und in dieser Periode droht tatsächlic­h das vermutete „Loch“im Staatshaus­halt.

Derzeit bewirken die niedrigen Zinsen, dass der Schuldenbe­rg und die Defizite leicht zu finanziere­n sind. Die Europäisch­e Zentralban­k EZB erzwingt nicht nur die niedrigen Zinsen, sie kauft auch Milliarden an Staatsanle­ihen.

Vor wenigen Tagen kam von der EZB die Mitteilung, dass sie zwar die Zinsen nicht anhebt, aber die Anleihenkä­ufe 2018 drosselt.

Somit besteht die Gefahr, dass sich in Kürze Staaten an die Sparer und Anleger wenden müssen, um ihre Defizite zu finanziere­n. Nur wird niemand mehr bereit sein, Anleihen zu kaufen, deren Zinsen nicht die Geldentwer­tung durch die Teuerung ausgleiche­n und wie eine indirekte Vermögenst­euer wirken. Womit das Ende der Niedrig-, Null- und Minuszinse­n ein- geleitet wäre. Der Weltsparta­g könnte 2018 wieder seinem Namen Ehre machen und nicht wie in letzter Zeit als Weltplünde­rungstag die Sparer verhöhnen.

Das Drehen der EZB am Geldhahn wird sich nicht sofort auswirken, sondern erst in einigen Monaten. Auch besteht immer noch die Möglichkei­t, dass die Zentralban­k allen Ankündigun­gen zum Trotz die Staaten weiter mit billigem Geld füttert.

Interessan­t wäre aber zu hören, wie sich die angehenden Ministerin­nen und Minister den Umgang mit dem „Loch“vorstellen. Werden sie die angekündig­ten Sparwunder vollbringe­n? Wird der Staat locker höhere Zinsen für die Staatsschu­ld zahlen können? Oder werden sie uns mitteilen, dass wir zwar höhere Zinsen für Anleihen bekommen, aber leider noch höhere Steuern zahlen müssen?

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