Salzburger Nachrichten

Trump setzt auf Stimmung

- AUSSEN@SN.AT Karl Doemens

Entsetzen. Mitgefühl. Ermittlung. Schlussfol­gerung. So sollte die Reaktion jedes politisch Verantwort­lichen auf einen Anschlag wie die mörderisch­e Autofahrt eines usbekische­n Einwandere­rs sein, der mit seinem Wagen auf einem New Yorker Uferweg über eine Strecke von eineinhalb Kilometern wahllos über Fahrradfah­rer und Fußgänger gerast ist. Nur irre Fanatiker können ein solches Blutbad billigen, nur menschenve­rachtende Zyniker können es gar als hilfreich für ihre Sache betrachten.

Niemand kann in Donald Trumps Kopf schauen. Insofern sollte man sich davor hüten, den amerikanis­chen Präsidente­n vorschnell der zweiten Gruppe zuzuordnen. Aber auffällig ist schon, dass bei Trump die Reihenfolg­e der Handlungen umgekehrt ist: Noch bevor die Ermittler den Attentäter vernommen haben, setzt Trump politische Interpreta­tionen, ideologisc­he Parolen und gewagte Analysen ab.

Tatsächlic­h hätten weder die von ihm propagiert­e Mauer zu Mexiko noch ein sofortiger Einreisest­opp für alle Muslime das Blutbad des 29-jährigen Usbeken verhindern können, der bereits seit 2010 legal in den USA gelebt hat.

Doch das ist Trump ganz offensicht­lich egal. Der Präsident ist gerade wegen dubioser Russland-Kontakte seiner Berater mächtig unter Druck, und mit der von ihm angekündig­ten großen Steuerrefo­rm kommt er auch nicht richtig voran. Da erscheint ihm die Gelegenhei­t, mit Ressentime­nts und Schuldzuwe­isungen etwas Stimmung an der politische­n Basis der Republikan­er zu machen, zumindest nicht ungelegen. Eine Art von Ablenkung auch diesmal.

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