Salzburger Nachrichten

Alle sagen, was Churchill nie gesagt hat

Berühmte Zitate stellt Martin Rasper auf den Prüfstand nach ihrer Echtheit.

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Ginge morgen die Welt unter, müsste man sich mit der Frage der letzten Tat beschäftig­en. Der eine würde über der Vergangenh­eit brüten, ein anderer verpassten Zukunftspl­änen nachhängen. Martin Luther krempelte angeblich die Ärmel hoch: „Auch wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich noch heute ein Apfelbäumc­hen pflanzen“, soll er gesagt haben.

Überprüft man den Wahrheitsg­ehalt dieser Worte, bleibt nur noch ein Äpfelchen übrig. Martin Rasper geht in seinem Buch „,No Sports‘ hat Churchill nie gesagt“alltäglich­en Bonmots auf den Grund. Er folgt den Entstehung­sgeschicht­en der berühmtest­en falschen Zitate. Luther pflanzte vielleicht ein Apfelbäumc­hen, aber mit keiner Silbe brachte er es mit einem Weltunterg­ang in Verbindung. Weder in Luthers Predigten noch in Schriften kommt der Satz vor. Erst knapp 500 Jahre später entstand das vermeintli­che Luther-Zitat während der Nazizeit in Kreisen evangelisc­her Theologen.

Sorgfältig, unterhalts­am und kreativ spürt Martin Rasper den berühmten Sprüchen nach. Den Worten werden Sternchen in Kreativitä­t verliehen, der Wahrheitsg­ehalt in Prozentmar­ken abgesteckt und die Art der Verfälschu­ng befunden. So kommt Martin Luther auf magere null Prozent in Sachen Wahrheit, dafür auf volle fünf Sterne in der Kreativfra­ge.

In der Entstehung der vermeintli­chen Weisheiten kommt häufig der „Matthäus-Effekt“ins Spiel. So

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BILD: SN/CINETEXT BILDARCHIV Ein Mann Churchill. starker Worte: Winston
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